Im Juli droht dem Goldpreis der heftigste Monatsverlust seit einem Jahr. Bislang beläuft sich das Minus auf fast vier Prozent. Auf Dollarbasis weist das gelbe Edelmetall damit zum vierten Mal in Folge rote Vorzeichen aus.

US-Notenbank Fed schliesst die Geldschleusen

Im Juli hat die Europäische Zentralbank zum ersten Mal seit elf Jahren die Leitzinsen erhöht und übertraf mit ihrem Zinsschritt in Höhe von 50 Basispunkten sogar die Prognosen der Analysten, die mehrheitlich mit einem Anheben um 25 Basispunkte gerechnet hatten. Verglichen mit der Geldpolitik der US-Notenbank Fed, besteht diesseits des Atlantiks jedoch erheblicher Nachholbedarf. In den USA sind allein in diesem Jahr bereits vier Zinserhöhungen um insgesamt 225 Basispunkte beschlossen worden. Und mit Blick auf das Jahresende wird mit weiteren Zinserhöhungen gerechnet. Laut FedWatch-Tool des Terminbörsenbetreibers CME Group gelten folgende Zinssätze (aktuell: 2,25 bzw. 2,5 Prozent) zum Ende des Jahres als am wahrscheinlichsten: 3,0 bzw. 3,25 Prozent (28,5 Prozent), 3,25 bzw. 3,5 Prozent (46,7 Prozent) sowie 3,5 bzw. 3,75 Prozent (21,9 Prozent).

Weil die US-Inflationsrate mit 9,1 Prozent p.a. im Juni auf den höchsten Stand seit über 40 Jahren geklettert war, kann man die kräftigen Zinsschritte nach oben durchaus nachvollziehen und als gerechtfertigt ansehen. Zur Erinnerung: Im Juni 2021 war eine Geldentwertung von 5,4 Prozent gemeldet worden. Damit ist der von der Fed und der EZB kommunizierte Zielwert für die Inflation in Höhe von zwei Prozent mittlerweile in weite Ferne gerückt. In der Eurozone sieht die Lage ähnlich aus, schliesslich war hier für den Monat Juni nur eine unwesentlich niedrigere Inflationsrate von 8,6 Prozent gemeldet worden. Weil sich die Staatshaushalte der verschiedenen Mitgliedsländer stark unterscheiden, haben die europäischen Notenbanker ihr Hauptaugenmerk in den vergangenen Jahren vor allem auf die Schuldentragfähigkeit der finanzschwächsten Glieder innerhalb der Kette gerichtet. Um keine Rezession in Europa und die daraus resultierenden Zahlungsprobleme von Staaten mit unsolider Finanzlage zu riskieren, haben sie den markanten Anstieg der Konsumentenpreise lieber ignoriert.

Robert Hartmann, der Mitgründer von pro aurum, interpretiert die aktuelle Lage folgendermassen und sagt: „Die EZB sitzt mehr oder weniger in der Falle. Bei einer offiziellen Inflationsrate von acht Prozent p.a. müsste der Leitzins mindestens die gleiche Höhe haben, wenn man das Ziel Geldwertstabilität ernsthaft verfolgen würde.“ Er meint, dass dies nicht nur im Süden Europas zu einer echten Wirtschaftskrise führen würde. Lagarde und Co. haben stets behauptet, dass die hohen Inflationsraten nur temporäre Übertreibungen aufgrund des Ukraine-Kriegs und der damit verbundenen höheren Energiekosten seien. Für den erfahrenen Edelmetallprofi ist mittlerweile allerdings klar, dass sich die Preissteigerungen für längere Zeit fortsetzen werden. Er sagt: „Wie in den vergangenen Jahren werden die Zeche vor allem die Sparer bezahlen, wobei deren ‚Rechnung‘ immer höher ausfallen wird.“ Für ihn war nach den billionenschweren Rettungsorgien für den Euro und das Finanzsystem abzusehen, dass es eines Tages zu einer spürbaren Teuerung kommen wird. Unklar sei lediglich der konkrete Auslöser gewesen.

Finanzinstitutionen in Verkaufslaune

In den vergangenen Monaten war der markante Kursrutsch des Goldpreises vor allem auf zwei Marktsegmente zurückzuführen: die Terminmärkte sowie den ETF-Sektor. Sowohl bei Futures als auch bei ETFs auf Gold spielen institutionelle Investoren, die in der Finanzwelt häufig als „smart money“ (schlaues Geld) bezeichnet werden, eine besonders wichtige Rolle. In den vergangenen Monaten sind sie verstärkt als Verkäufer in Erscheinung getreten. Laut World Gold Council gab es in den Monaten Januar bis April stets Goldzuflüsse zu vermelden, die sich auf einen Wert von mehr als 315 Tonnen summiert hatten. Seit Mai überwiegen nun aber die Abflüsse. Im Mai und Juni beliefen sich diese auf 53,2 bzw. 28,5 Tonnen und in den ersten drei Juliwochen waren weltweit bereits über 64 Tonnen Gold aus ETFs abgeflossen.

Ähnlich negativ stellte sich die Lage an den Terminmärkten. Dort hat sich zum Beispiel im zweiten Quartal die Anzahl offener Kontrakte, der sogenannte Open Interest, von 574.500 auf 497.000 Kontrakte (-13,5 Prozent) reduziert. Zur Erinnerung: Ein Gold-Future bewegt auf dem Papier 100 Feinunzen Gold. Eine massive Verkaufswelle grosser Terminspekulanten (Non-Commercials) gab es indes in den ersten drei Juli-Wochen zu beobachten. Innerhalb dieses Zeitraums haben die hochspekulativen Marktakteure ihr Long-Position um 27.700 Kontrakte reduziert und zugleich ihr Short-Engagement um über 35.000 Futures verstärkt, was deren Netto-Long-Position (mehrheitlich optimistisch gestimmt) von 157.700 auf 94.950 Kontrakte (-39,8 Prozent) regelrecht einbrechen liess.

Hartmann rechnet bei Gold mit höheren Preisen

Mit Blick auf die Positionen an den Terminmärkten fiel Edelmetallexperte Hartmann folgendes auf: Am 19. Juli war unter grossen Terminspekulanten eine Long-Position von 241.000 Futures und ein Short-Engagement von 146.050 Futures registriert worden, was per Saldo einer Netto-Long-Position von rund 94.950 Kontrakten entsprach. Hartmann merkt diesbezüglich folgendes an und erklärt: „Das Verhältnis von Long- zu Short-Positionen innerhalb dieser Gruppe fällt historisch betrachtet mit einem Faktor von 1,7 ausgesprochen niedrig aus. Bereits in den Wochen zuvor haben die Spekulanten ihr Engagement bei Gold substanziell nach unten gefahren und somit geht von den Futures-Märkten meiner Meinung nach nur noch eine geringe Gefahr aus.“ Da derzeit das Sentiment für Gold extrem angeschlagen sei, geht er davon aus, dass die jüngsten Kursrückgänge bald ein Ende finden werden und es mittelfristig wieder zu steigenden Kursen des gelben Edelmetalls kommen wird.

Aus folgenden Gründen sollten sich Anleger über die deutlich gestiegenen Zinsen und Renditen nicht zu sehr sorgen.

Erstens: Steigende Anleiherenditen werden bei bereits gehandelten Wertpapieren stets durch fallende Anleihepreise bewerkstelligt, was Bond-Besitzern eher nicht gefallen dürfte. In den Genuss höherer Kupons kommen in der Regel lediglich die Käufer neu emittierter Anleihen.

Zweitens: Hohe Renditen gelten nach der Kapitalmarkttheorie als Indiz für ein gestiegenes Verlust- bzw. Ausfallrisiko. Weil Notenbanken die Zinsen durch ihre Geldpolitik und billionenschweren Anleihekaufprogramme nach unten gedrückt haben, dürfte das tatsächliche Risiko sämtlicher Anleihen derzeit deutlich höher einzuschätzen sein als dies die aktuellen Renditen nahelegen.

Drittens: Weil die gegenwärtigen Inflationsraten die erzielbaren Anleiherenditen der meisten Industrieländer weiterhin um ein Vielfaches übertreffen, sollte man einen Anleihekauf nicht als sonderlich attraktiv oder gar aussichtsreich einstufen. Eine Anleihe besteht nämlich grösstenteils auf der Hoffnung, dass der Schuldner seine Zinsen pünktlich und in vollem Umfang bezahlt, der Anleihebesitzer am Ende der Laufzeit seinen Nominalbetrag (Tilgung) zurückerhält und last but not least: dieses Kapital nicht zu sehr an Kaufkraft eingebüsst hat. Ob der letztgenannte Aspekt gewährleistet ist, darf derzeit durchaus infrage gestellt werden.

Juli: Verfügbarkeit hat sich bei Gold gebessert

Im Zuge einer sich beruhigenden Orderlage konnte man bei Goldbarren und Goldmünzen in den vergangenen Wochen eine spürbar verbesserte Verfügbarkeit ausmachen. Lediglich bei den so genannten Fractionals — also Münzen mit Gewichtseinheiten von einer halben bis zu einer zwanzigstel Unze gibt es aktuell noch Nachschubprobleme. Bei den anderen Gattungen sieht es aber mittlerweile wieder ganz ordentlich aus. Dies könnte in den nächsten Monaten zu niedrigeren Aufgeldern führen und dadurch vorteilhafter für den Endkunden sein. Bei Silber gibt es hingegen noch keine Entwarnung. pro aurum würde gern viel mehr Unzenmünzen in Silber kaufen, als aktuell von den Produzenten zugeteilt werden. Hartmann zieht deshalb folgendes Fazit und konstatiert: „Wenn man zum aktuellen Weltmarktpreis für Silber nicht annähernd so viel Ware bekommt, wie man ordern möchte, dann stimmt meines Erachtens am Preis etwas nicht.“

Drei Fragen an die Privatkunden von pro aurum

Im Juli haben sich an der Edelmetall-Stimmungsumfrage von pro aurum insgesamt 411 Personen (Juni: 230) beteiligt. Die Quote der Kaufwilligen kletterte gegenüber dem Vormonat von 48,3 auf 50,1 Prozent. Im selben Zeitraum hat sich der Anteil der abwartenden Anleger von 45,6 auf 45,7 Prozent marginal erhöht. Nachgelassen hat hingegen die Verkaufsbereitschaft der Befragten. Diese hat sich nämlich von 6,1 auf 4,1 Prozent reduziert.

Hinsichtlich der Bewertung der aktuellen Edelmetallpreise führte der schwache Goldpreis zu einer signifikanten Stimmungsveränderung. Mittlerweile stufen 47,0 Prozent der Befragten Edelmetallpreise als unterbewertet ein, während hier vor einem Monat noch ein Wert von 43,8 Prozent) registriert worden war. Eine faire Bewertung sehen derzeit 38,5 Prozent (Juni: 43,1 Prozent) der Umfrageteilnehmer. Die Ansicht, dass Edelmetalle derzeit überbewertet sind, hat hingegen leicht an Zuspruch gewonnen. Gegenüber dem Vormonat stellte sich hier ein Zuwachs von 13,1 auf 14,5 Prozent ein.

Bei der Frage nach der weiteren Preisentwicklung der Edelmetalle im kommenden Quartal kehrte eine gewisse Ernüchterung ein. So war zum Beispiel bei der Erwartung steigender Edelmetallpreise auf Monatssicht ein Rückgang von 53,7 auf 46,4 Prozent zu vermelden. Die Ansicht, dass die Edelmetallpreise stagnieren werden, verstärkte sich hingegen von 36,4 auf 39,1 Prozent. Signifikant bergauf ging es aber vor allem mit der Anzahl der Pessimisten, wo ein Zuwachs von 9,9 auf 14,5 Prozent zu Buche schlug.

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