pro aurum spricht mit dem Finanzmarktexperten Dirk Müller alias Mr. Dax über die stark gestiegene Inflation, die Bewertungsniveaus an den Aktienmärkten sowie über die Performance der Edelmetalle.

Herr Müller, erstmals seit der Einführung des Euro ist die Inflation im Euroraum im Oktober über die Marke von zehn Prozent geklettert. Wie gefährlich schätzen Sie diese Situation ein?

Ich befürchte, dass uns die Inflation noch eine ganze Weile erhalten bleiben wird. Rücksetzer sind durchaus möglich, aber aus meiner Sicht werden diese nicht wirklich nachhaltig sein. Ich sehe vielmehr die Gefahr, dass wir in absehbarer Zeit sogar noch eine Beschleunigung der inflationären Entwicklung erleben werden. Die Zinsanhebungen der amerikanischen Notenbank wirken auf diese Art der Inflation, die nicht durch zu starke Investitionen in beispielsweise langlebige Wirtschaftsgüter, sondern durch massiv gestörte Lieferketten hervorgerufen wurde, auch kaum dämpfend. Mittelfristig werden wir tendenziell weiter steigende Zinsen und zugleich auch eine weiterhin hohe Inflationsrate sehen. Das ist für die Wirtschaft ein fataler Zweiklang. In der Konsequenz wird es zu einer Stagflation, also einer zurückgehenden Wirtschaftsentwicklung bei weiterhin steigenden Preisen, kommen.

Was kann jeder Einzelne jetzt tun, um das angesparte Vermögen bestmöglich zu bewahren?

Wir werden an einen Punkt gelangen, an dem die US-Notenbank die Zinsen wieder relativ schnell wird senken müssen, um die eigene Wirtschaft zu stützen. In diesem Moment werden wir eine massive Inflation registrieren, somit auch ein starkes Anziehen der Preise zahlreicher Assetklassen: Aktien, Rohstoffe und Edelmetalle. Bis dahin werden diese Anlagen aber weiter unter Druck geraten. Diese abermalige Zinswende seitens der Amerikaner kann jederzeit, aber auch erst – wie 1929 – in einigen Monaten kommen. Kommt die Zinswende zu spät, kann es trotzdem zu einer Abwärtsspirale in der Wirtschaft und an den Börsen kommen. Insofern ist die aktuelle Situation aus meiner Sicht eine Jahrhundertkrise und eine Jahrhundertchance gleichermassen.

Meine Strategie vor diesem Hintergrund nenne ich „Operation Dagobert“: also aktuell das Geld zusammenhalten, keine unnötigen Investitionen tätigen, um in absehbarer Zeit voll investieren zu können, wenn die Anlageklassen als Reaktion auf Zinssenkungen in den USA wieder den Weg nach oben finden. In dieser Zeit wird man sich über jeden Euro ärgern, der einem nicht zur Investition in Aktien, Edelmetalle und Co. zur Verfügung steht. Das Timing für Anleger wird nicht einfach werden, aber diese Herangehensweise ist für mich ohne Alternative.

Wie schätzen Sie derzeit das durchschnittliche Bewertungsniveau an den Aktienmärkten ein?

Die Bewertungen für viele Unternehmenswerte sind viel günstiger als im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre. Wenn jetzt aber in einer möglichen weltweiten Rezession die Unternehmensgewinne statt anzusteigen sogar sinken sollten, dann werden sich diese mathematischen Gewinnbewertungen auch wieder deutlich verschlechtern. Und dann wäre bei den Aktien noch viel Luft nach unten. Vieles hängt also davon ab, wie stark die vor uns liegende Rezession ausfallen wird und wie weit und vor allem wie lange die Amerikaner noch die Zinsen anheben werden.

Angesichts der aktuellen Polykrise aus Ukraine-Krieg, Lieferketten-Chaos und Energieschock könnte Gold langfristig eine Lösung zum Werterhalt darstellen. Welche Funktion hat das Edelmetall Ihrer Meinung nach im Portfolio und welche Performance trauen Sie Gold in den kommenden Monaten zu?

Gold hat in diesem Jahr, zumindest in US-Dollar bewertet, den Rückwärtsgang eingelegt. Interessanterweise sieht das in Euro betrachtet schon deutlich besser aus, weil der Euro gegenüber dem Dollar in diesem Jahr massiv abgewertet hat. Aber unterm Strich kann man schon konstatieren, dass auch das Edelmetall etwas unter Druck gekommen ist, weil wir eine Situation haben, in der wir in eine Rezession laufen und vor diesem Hintergrund auch Liquiditätsschwierigkeiten erwartet werden. Und wer Liquidität braucht, der verkauft alles, was er zu Geld machen kann. Dazu gehören neben Aktien auch Edelmetalle. Aber für Gold gilt dasselbe, was ich vorhin für Aktien beschrieben habe: Auch diese werden im Fahrstuhl mit nach oben fahren, sobald die Fed ihre Zinspolitik ändert.


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