Mit Folker Hellmeyer, dem Chefvolkswirt der Netfonds AG und erfahrenen Experten und Vortragsredner, führte pro aurum ein Interview über die aktuelle Lage des Finanzsystems und die weiteren Perspektiven der Edelmetalle.

Herr Hellmeyer, wie bewerten Sie die Entwicklung des Goldpreises?

Vor dem Hintergrund des Zollkonflikts und der Geopolitik hat mich die Rekordlaune des Goldpreises nicht sonderlich überrascht, die Steilheit des Anstiegs aber schon. Stärkere Gewinnmitnahmen sind auf dem erhöhten Niveau zwar immer möglich, allerdings haben wir im Zuge der jüngsten Marktentwicklung eine starke Anomalie gesehen. Früher flohen Investoren bei Krisen, selbst wenn diese ihren Ursprung in den USA hatten, in den „sicheren Hafen“ Dollar. Diesmal hat vor allem eine Währung besonders stark profitiert, nämlich die globale Krisenwährung Gold. Und an diesem Sachverhalt wird sich auch in Zukunft aller Voraussicht nach wenig ändern. Daher bleibt Gold für mich weiterhin eine Währung ohne Fehl und Tadel.

Wie sehen Sie das von Trump ausgelöste Zollchaos? Welche Entwicklung halten Sie mit Blick auf die deutsche Konjunktur bzw. Weltwirtschaft am wahrscheinlichsten?

Diesen Zollkonflikt sollte man nicht isoliert betrachten. Die USA verlieren aufgrund der veränderten Entwicklung der Weltökonomie bereits seit vielen Jahren peu à peu an Bedeutung. Dies kommt vor allem durch einen Wandel hin zu einer multilateralen Weltordnung zum Ausdruck. Bereits unter Obama wurde 2013 versucht, die Globalisierung zurückzudrängen, um die USA in eine bessere Position zu bringen. Und eines sollte man bei all den Diskussionen um die Zölle nicht ausser Acht lassen: Vor dem Ausbruch des Konflikts waren die Handelshemmnisse der USA überwiegend geringer als die ihrer Handelspartner.

Gibt es eigentlich eine Währung, die den Dollar langfristig ersetzen kann?

Derzeit kann keine Währung diese Rolle übernehmen – weder der Euro noch eine angedachte BRICS-Währung. Eine Leitwährung erfordert nämlich eine Finanzmarktstruktur, die eine hohe Liquidität bereitstellen kann, um dadurch ein gewisses Mass an Stabilität zu gewährleisten. Ich gehe davon aus, dass der Dollar an Bedeutung verlieren wird, während bei anderen Währungen das Gegenteil der Fall sein wird. Ausserdem rechne ich damit, dass insbesondere Länder aus dem globalen Süden ihre Währungen verstärkt mit Gold hinterlegen werden, um ihnen eine höhere Glaubwürdigkeit zu verleihen und sie mit einer Ankerfunktion zu versehen.

Welche Branchen werden Ihrer Meinung nach unter Trump besonders stark leiden und welche könnten möglicherweise sogar profitieren?

Auf kurze Sicht könnten exportorientierte Branchen wie Automobilindustrie oder Maschinenbau weiter leiden, allerdings halte ich es durchaus für möglich, dass im Falle einer Beilegung der Handelsstreitigkeiten wir weltweit möglicherweise bereits im dritten Quartal niedrigere Zölle sehen werden als vor dem Ausbruch des Konflikts und wir dann vielleicht sogar einen optimierten Freihandel haben werden. Die von Trump ausgelöste Disruption stellt für mich eine unglaublich interessante Konstellation dar, weil die Märkte im Moment nur das Negative sehen. Sollte das zuvor beschriebene Positiv-Szenario eintreten, könnte dies mit Blick auf die Weltkonjunktur ein erhöhtes Wachstumspotenzial auslösen.

Welchen Rat haben Sie angesichts der derzeit besonders stark ausgeprägten Prognoseunsicherheit und den hohen Volatilitäten für Privatanleger parat? Haben wir das Schlimmste bereits überstanden oder noch vor uns?

Also mein Rat lautet: Wir müssen uns immer fragen, was in dieser unsicheren Welt nachhaltig ist. Und da kann es nur eine Antwort geben. Nachhaltigkeit findet man nicht in Geldwerten, sondern in realen Werten. Dazu gehören natürlich Edelmetalle, aber auch Aktien. Letztere kann man nach den vorherigen Abverkäufen günstiger einkaufen, was aufgrund der aktuellen Verunsicherung seitens der Anleger kaum als Chance wahrgenommen wird. Fakt ist in meinen Augen: Wir haben eine Weltwirtschaft, die acht Milliarden Menschen mit Gütern und Dienstleistungen versorgen muss und es gibt viele widerstandsfähige Unternehmen, die allen Krisen zum Trotz auch in Zukunft sehr ertragreich agieren werden. Für mittel- bis langfristig orientierte Investoren bietet sich daher an, in schwachen Marktphasen zu investieren. Das gilt übrigens auch für Gold, denn auch hier kann es durchaus zu temporären Korrekturen kommen. Um einen Trendwechsel wird es sich jedoch nicht handeln. Realwerte sind daher die beste Absicherung, Kapital zu erhalten oder zu vermehren.

Und was sollten Geldanleger mit Blick auf die Perspektiven von Gold, Silber, Platin und Palladium unbedingt beachten?

Derzeit kann man im Edelmetallsektor eine klare Fokussierung auf Gold sehen. Das Edelmetall hat sich sehr stark entwickelt, während Silber stark hinterherläuft und Platin und Palladium eher enttäuschen. Silber verfügt meiner Meinung nach über erhebliches Nachholpotenzial. Und dies trifft vor allem dann zu, wenn die Weltwirtschaft wieder ins Laufen kommen sollte. Dann könnte bei Silber vor allem der IT-Sektor ein starkes Nachfragewachstum generieren. Vor allem der Bereich Künstliche Intelligenz dürfte – losgelöst von konjunkturellen Schwächephasen – seine Boomphase auf lange Sicht weiterhin fortsetzen. Lange Rede, kurzer Sinn: Für mich bleiben Gold und sein „kleiner Bruder“ Silber die primären Edelmetallinvestments und erst danach kommen dann mit einigem Abstand die beiden Schwestermetalle Platin und Palladium infrage.

Bildquelle: Folker Hellmeyer


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