In den USA scheint der Inflationsdruck spürbar nachzulassen, was dem Goldpreis paradoxerweise zu einem Comeback verholfen hat. Nun keimt Hoffnung, dass die Zinsängste verfliegen und das gelbe Edelmetall zu einem nachhaltigen Höhenflug ansetzen könnte.

Inflationsschutz ignoriert hohe Teuerungsraten

An den Goldmärkten wurden in diesem Jahr steigende Zinsen und die massive Dollarstärke als klare Verkaufsargumente für das gelbe Edelmetall wahrgenommen, während die massive Geldentwertung dies- wie jenseits des Atlantiks bislang eher ignoriert wurde. Verkehrte Welt: In Deutschland überwand die jährliche Inflationsrate im September die Marke von zehn Prozent und die Produzentenpreise schossen um über 45 Prozent p. a. nach oben, doch dem Goldpreis hat dies bislang kaum genutzt. Der altbewährte Inflationsschutz Gold reagiert derzeit nämlich weniger auf die Kaufkrafterosion von ungedecktem Fiatgeld, sondern vielmehr auf die Entwicklung der Opportunitätskosten, die durch den Zinsverzicht der Goldbesitzer zwangsläufig anfallen.

Doch bei dieser Betrachtungsweise sollten Privatanleger Folgendes unbedingt beachten. Trotz des rasanten Anstiegs der Leitzinsen und Renditen – insbesondere in den USA – kann man mit Staatsanleihen bester Bonität nicht so viel verdienen, wie die Inflation wieder „auffrisst“. Das Phänomen negativer Realzinsen gilt normalerweise als Kaufargument für Gold, aber von Normalität sind die Finanzmärkte bereits seit Jahren, wenn nicht gar seit Jahrzehnten weit entfernt.

Robert Hartmann, Mitgründer von pro aurum, sagt: „Ich gehe davon aus, dass eine höhere Inflationsrate zukünftig akzeptiert wird. Als Schuldner birgt dies auch den Vorteil, dass man seine Schulden mit ‚minderwertigem‘ Geld tilgen kann, also mit Geld, das einer erheblichen Inflation ausgesetzt war. So haben das die Staaten schon immer gemacht.“

Die Ende September zu beobachtenden Turbulenzen am britischen Anleihemarkt sind der beste Beleg für diese These. Weil die Investoren die Steuersenkungspläne der britischen Regierung als nicht finanzierbar interpretiert hatten, drohte dem Anleihemarkt aufgrund der nachfolgenden massiven Verkaufswelle zeitweise der Zusammenbruch und einigen Pensionsfonds sogar die Pleite. Dadurch musste die Bank of England Anleihen, die sich am freien Markt als unverkäuflich erwiesen haben, entgegen ihren eigentlichen Plänen doch wieder kaufen.

Edelmetallexperte Hartmann interpretiert die Geschehnisse auf der britischen Insel dahingehend, dass die Notenbanken höchstwahrscheinlich immer eingreifen werden, sobald es zu extremen Verwerfungen an den Märkten kommen sollte. Er glaubt nicht, dass die Zentralbanken ihre angekündigten Zinserhöhungen und Anleiheverkäufe tatsächlich realisieren können. In diesem Zusammenhang stellt der erfahrene Edelmetallprofi folgende Frage: Wie soll eine Versicherung oder Pensionskasse langfristige Erträge in Höhe fünf bis sieben Prozent pro Jahr erwirtschaften, wenn dies der Zinsmarkt nominal sowie real gar nicht hergibt? Solch unrealistische Renditeversprechen sind nur mit gehebelten Positionen zu erfüllen, die allerdings enorme Risiken bis hin zu möglichen Totalverlusten in sich bergen. Für ihn liegt der Fehler somit im System selbst.

Solide physische Goldnachfrage in Q3

Ein anderer Sachverhalt sollte Privatanleger hinsichtlich der weiteren Perspektiven des Goldpreises ebenfalls optimistisch stimmen: Trotz der enttäuschenden Goldperformance im dritten Quartal gab es bei der physischen Goldnachfrage keinen Grund zur Klage. Laut Daten des World Gold Council (WGC) stellte sich nämlich in den Monaten Juli bis September ein regelrechter Nachfrageboom von 921,9 auf 1.181,5 Tonnen (+28,2 Prozent p. a.) ein. Gegenüber der vergleichbaren Vorjahresperiode erzielten vor allem die folgenden Marktsegmente Zuwächse im zweistelligen Prozentbereich: Schmucksektor (+12,9 Prozent auf 581,7 Tonnen) sowie Barren & Münzen (+35,6 Prozent auf 351,1 Tonnen). Trotz der deutlich niedrigeren Bevölkerungszahl erwies sich Deutschland in den ersten neun Monaten 2022 mit insgesamt 131,3 Tonnen als zweitgrösster Nachfrager von Barren & Münzen – nach China (156,9 Tonnen), aber vor Indien (117,1 Tonnen).

Ebenfalls interessant: Die Nettokäufe der Notenbanken haben sich in Q3 von 90,6 auf 399,3 Tonnen mehr als verdreifacht. Rote Vorzeichen gab es hingegen unter anderem im Industriesektor zu beobachten, dessen Nachfrage um acht Prozent auf 76,7 Tonnen zurückging. Als massiver Belastungsfaktor hat sich allerdings die Entwicklung im ETF-Sektor erwiesen. Hier haben sich nämlich die globalen Abflüsse gegenüber dem Vorjahreswert von 26,0 auf 227,3 Tonnen mehr als verachtfacht. Massive Verkäufe gab es in Q3 vor allem in Nordamerika, wo sich die ETF-Goldbestände um 48,1 Tonnen auf 1.779,4 Tonnen reduziert haben, während bei europäischen ETFs Zuflüsse von 10,9 Tonnen auf 1.583,4 Tonnen registriert wurden.

Neben den massiven Verkäufen der ETF-Investoren dürfte aber auch der an den Terminbörsen registrierte massive Verkaufsdruck, der in den Quartalsberichten (Gold Demand Trends) des WGC stets aussen vor bleibt, den Goldpreis in den Sommermonaten besonders stark ausgebremst haben. Nur zur Erinnerung: Von Ende Juni bis Ende September haben sich die Netto-Long-Positionen (mehrheitlich optimistisch gestimmt) grosser und kleiner Terminspekulanten um fast 120.000 Kontrakte reduziert. Dies entspricht – zumindest auf dem Papier – einer verkauften Goldmenge von immerhin 373,2 Tonnen.

In der Vergangenheit haben Terminmarktprofis übrigens immer wieder relativ schnell ihre Meinung geändert und dadurch dem Goldpreis starke Impulse verliehen – sowohl nach oben als auch nach unten. Edelmetallprofi Hartmann zieht in der gegenwärtigen Marktlage folgendes Fazit und sagt: „Derzeit sprechen erheblich mehr Argumente für den Kauf als für den Verkauf von Gold. Unabhängig davon macht der Kauf von Gold unter langfristigen Aspekten immer Sinn.“


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