Obwohl die meisten Länder der Eurozone nach wie vor eine Inflationsrate von über zwei Prozent p.a. ausweisen, hat Christine Lagarde am 6. Juni eine Zinssenkung um 25 Basispunkte verkündet. Die Fed will indes weiterhin abwarten.

Europäische Zentralbank mutiger als Fed?

In den Jahren zuvor forderten die EZB-Notenbanker vor einer Reduktion der Leitzinsen stets einen nachhaltigen Inflationsrückgang in Richtung Zwei-Prozent-Marke. Die Zinssenkung kam aber keineswegs überraschend, sondern wurde in den Wochen zuvor regelmässig in Aussicht gestellt. Der steile Anstieg des Zinsniveaus war aufgrund der beschleunigten Geldentwertung zwar notwendig, die jüngste Zinsmassnahme wollten die EZB-Verantwortlichen vor allem aber als Normalisierung der Geldpolitik verstanden wissen. Aktuell weisen in der Eurozone für den Monat Mai folgende Mitgliedsstaaten eine Inflation von weniger als zwei Prozent aus: Italien (0,8 Prozent), Litauen (0,5 Prozent) und Lettland (0,1 Prozent).

In den anderen Ländern reichen die Teuerungsraten von 2,2 Prozent (Frankreich) bis 3,6 Prozent (Spanien). In Deutschland liegt man mit 2,4 Prozent im Mittelfeld und damit leicht unter dem für die Eurozone registrierten Wert in Höhe von 2,6 Prozent. Ausserhalb der Eurozone litten vor allem zwei Länder unter einer deutlich höher ausgeprägten Inflation. Dabei handelte es sich um Russland (7,8 Prozent) und die Türkei (75 Prozent)

Normalerweise folgt die EZB beim Einläuten einer Zinswende eher der Fed als umgekehrt. In diesem Jahr gingen die Europäer jedoch mutig voran. Rezessionssorgen dürften dabei eine wichtige Rolle gespielt haben, schliesslich kam die Wirtschaft der Eurozone in den vergangenen sechs Quartalen kaum vom Fleck. Im vierten Quartal 2023 schrumpfte sie gegenüber dem Vorquartal sogar um 0,1 Prozent, während der Höchstwert bei überschaubaren plus 0,3 Prozent lag. Hohe Zinsen fungieren innerhalb der Wirtschaft wie ein Bremsklotz und führen zu einer sinkenden Investitionsbereitschaft. Niedrige Zinsen oder die Aussicht auf sinkende Leitzinsen gelten hingegen als Konjunkturtreiber.

Nun darf man gespannt sein, ob die Massnahmen der EZB die Finanzmärkte beruhigt oder eher verunsichert haben. Mit den beiden Volatilitätsindizes auf deutsche Blue Chips (VDAX-New) bzw. europäische Standardwerte (VSTOXX) ging es seither erst einmal steil bergauf, was jedoch in erster Linie auf den Rechts-Ruck bei der Europawahl zurückzuführen war.

Fed will weiter abwarten

Die für den Mai veröffentlichten Zahlen zur US-Inflation fielen niedriger als erwartet aus. So ermässigte sich z.B. die jährliche Teuerungsrate von 3,4 auf 3,3 Prozent, während bei der Kerninflation ein Rückgang von 3,6 auf 3,4 Prozent p.a. registriert worden war. Damit herrscht in den USA dennoch eine signifikant höhere Inflation als in der Eurozone. Nachdem zu Beginn des Jahres das FedWatch-Tool des Terminbörsenbetreibers CME Group auf eine massive Zinsreduktion hingedeutet hat und mehrere Zinssenkungen erwarten liess, kehrte mittlerweile Ernüchterung ein. Aktuell zeigt das Tool eine Wahrscheinlichkeit von über 61 Prozent an, dass wir am 18. September niedrigere Fed Funds als heute sehen werden. Die Chance, dass bis Ende des Jahres ein weiterer Zinsschritt nach unten erfolgen wird, beläuft sich ebenfalls auf ungefähr 61 Prozent.

Auf der Fed-Sitzung am 12. Juni wurden die US-Leitzinsen zum siebten Mal in Folge unverändert belassen, was an den Märkten mehrheitlich erwartet worden war. Überrascht haben hingegen die Prognosen der Fed hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Zinsen und der Inflation. Diese wurden nämlich nach oben revidiert und dämpften dadurch die Zinshoffnungen der Investoren. In den vergangenen Monaten reagierte die Krisenwährung allerdings kaum auf die weltweit gestiegenen Anleiherenditen und die daraus für Goldbesitzer resultierenden Opportunitätskosten (-> Zinsverzicht). Möglicherweise stufen Geldanleger die Schutzfunktion von Gold derzeit wichtiger ein, als wachsende Zinsversprechen hochverschuldeter Staaten.

Langfristiger Inflationsschutz via Gold

Obwohl die deutsche Inflationsrate in den vergangenen zwölf Monaten eine rasante Talfahrt von 6,4 auf 2,4 Prozent p.a. vollzogen hat, tendierte der Goldpreis im selben Zeitraum angesichts einer in Euro berechneten Performance von über 18 Prozent deutlich nach oben. Und dies, obwohl die Renditen deutscher Bundesanleihen mittlerweile die Inflationsrate übertreffen und somit wieder positive Realzinsen bieten. Die positive Korrelation zwischen der Inflation und dem Goldpreis scheint derzeit offensichtlich nicht zu greifen, was die Besitzer von Gold jedoch nicht stören sollte.

Dies dürfte u.a. auf das nachlassende Vertrauen in die Wertbeständigkeit von Fiat-Währungen bzw. Staatsanleihen zurückzuführen sein. Gold bietet zwar weder Zinsen noch Dividenden, sondern überzeugt durch andere Argumente. Weil beim Besitz von physischem Gold in Form von Barren und Münzen kein Kontrahentenrisiko existiert, musste das gelbe Edelmetall noch nie einen Totalverlust hinnehmen. Denn eines sollten Geldanleger auf keinen Fall ausser Acht lassen: Die enormen Schuldenberge bedeutender Industriestaaten werden aller Voraussicht nach niemals abbezahlt. Vielmehr ist zu befürchten, dass ein Grossteil der eingenommenen Steuern künftig in den Schuldendienst – also das Zahlen von Zinsen sowie das Refinanzieren fällig werdender Anleihen – fliessen wird.

An den Goldmärkten gibt es immer wieder Phasen, in denen bestimmte Einflussfaktoren stärker greifen als andere. Aktuell verlieren bspw. die massiven Goldabflüsse des globalen ETF-Sektors an Schrecken, weil asiatische Notenbanken und Anleger am Kauf von Gold aus den unterschiedlichsten Gründen besonders stark interessiert sind. Die Schutzfunktion gegenüber einer vorprogrammierten Geldentwertung greift aufgrund des schwankenden Goldpreises daher vor allem unter langfristigen Aspekten.


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