Mitte April prallte der Goldpreis an der psychologisch wichtigen Marke von 2.000 ab und rutschte danach im Zuge steigender US-Renditen und einer markanten Dollarstärke kurzzeitig sogar deutlich unter die Marke von 1.900 Dollar.

IWF revidiert Konjunkturprognosen deutlich nach unten

Mittlerweile dauert der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine bereits zwei Monate. Bislang haben die massiven Sanktionen gegen Russland dessen Machthaber Putin nicht zum Einlenken bewegt. An den Goldmärkten scheinen die kriegsbedingten Risikofaktoren erst einmal in den Hintergrund getreten zu sein. Auf die Stimmung drückt derzeit vor allem der starke Dollarindex, der gegenwärtig auf dem höchsten Stand seit rund fünf Jahren notiert. Zwischen Gold und dem Dollar herrscht in der Regel eine negative Korrelation. Ausserdem drehten die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen oberhalb des Dreijahreshochs von 2,9 Prozent wieder in tiefere Regionen. Zwischen Zinsen und Gold gilt übrigens ebenfalls eine negative Korrelation. Viele Anleger fragen sich nun, ob sich die Talfahrt des Goldpreises in den kommenden Wochen und Monaten fortsetzen wird?

Dagegen sprechen einige relativ gewichtige Argumente. So übertreffen zum Beispiel die derzeitigen Inflationsraten in den USA (8,5 Prozent p.a.) und in der Eurozone (7,4 Prozent p.a.) die von den jeweiligen Notenbanken angestrebte Zielinflation von zwei Prozent p.a. um ein Vielfaches, was die Funktion von Gold als Inflationsschutz stützen dürfte. Zwei Umstände könnten einem massiven Rückgang der Teuerungsraten entgegenwirken. Erstens: Die Sanktionen gegen Russland werden auf absehbare Zeit höchstwahrscheinlich nicht aufgehoben werden. Zweitens: Auch die strengen Lockdowns in China, insbesondere in der Wirtschaftsmetropole Shanghai, dürften den globalen Warenverkehr weiterhin stark behindern und somit zu weiteren Preissteigerungen in vielen Bereichen führen. Da wundert es kaum, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) im April seine Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft (2022) kräftig reduziert hat. Die bisherige im Januar abgegebene Schätzung in Höhe von 4,4 Prozent wurde auf 3,6 Prozent p.a. nach unten revidiert. So sehen die aktuellen Prognosen für folgende Länder aus:

  • Ukraine: -35 Prozent p.a. (BIP) und keine Schätzung zur Inflation
  • Russland: -8,5 Prozent p.a. und 21,3 Prozent p.a. (Inflation)
  • USA: +3,7 Prozent p.a. (BIP) und 7,7 Prozent p.a. (Inflation)
  • China: +4,4 Prozent p.a. (BIP) und 2,1 Prozent p.a. (Inflation)
  • Eurozone: +2,8 Prozent p.a. (BIP) und 5,3 Prozent p.a. (Inflation)
  • Deutschland: +2,1 Prozent p.a. (BIP) und 5,5 Prozent p.a. (Inflation)

Damit dürfte eines völlig klar sein: Die Konjunkturperspektiven haben sich weltweit erheblich eingetrübt. In Deutschland drohen der Bevölkerung in den kommenden Jahren aufgrund steigender Preise in nahezu sämtlichen Lebensbereichen Wohlstandsverluste. Entsprechende Äusserungen kamen vom derzeitigen Ifo-Chef Clemens Fuest und dessen Vorgänger Werner Sinn sowie von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90 / Die Grünen) und Finanzminister Christian Lindner (FDP). Derzeit scheint das „Inflationsgespenst“ nicht verschwinden zu wollen. Zahlreiche Kapitalmarktexperten befürchten sogar, dass sich eine „Stagflation“ entwickeln könnte. Stagflation bedeutet, dass die Wirtschaft stagniert und zugleich die Inflationsrate steigt. Robert Hartmann, der Mitgründer von pro aurum, merkt an, dass das Risiko einer Stagflation bereits seit einigen Jahren existiert hat und nun offensichtlich Realität wird. Die Notenbanken haben durch die Aufblähung der Geldmengen seit über zehn Jahren ein enormes Inflationspotential geschaffen, was nunmehr nicht ausschliesslich in die Finanzmärkte, sondern auch in die Realwirtschaft fliesst. Hartmann sagt: „Der Krieg in der Ukraine und der Shutdown grösserer chinesischer Städte und Regionen übt derzeit enormen Druck auf die globalen Lieferketten aus, was nicht schnell zu reparieren sein wird. Deshalb werden uns höhere Inflationsraten auch in den kommenden zwei bis drei Jahre begleiten.“

Robert Hartmann, der Mitgründer von pro aurum, geht davon aus, dass politische Ereignisse und kriegerische Auseinandersetzungen kurzfristig sicherlich Einfluss auf die Preisbildung bei den Edelmetallen haben. Solange sich der Krieg aber nicht auf das Nato-Gebiet ausweitet, wird der Markt das Geschehen einpreisen. Zugleich gibt der Edelmetallprofi aber folgendes zu bedenken und sagt: „Langfristig betrachtet sind andere Dinge für die weitere Entwicklung von Gold & Co entscheidender. Dabei denke ich an die anhaltend hohe Inflation sowie die Tatsache, dass der reale Zins – also der Nominalzins minus Inflationsrate – stetig negativer wird.“ Für ihn ist daher klar: Wer in einem solchen Umfeld seine Kaufkraft schützen will, muss ins Risiko gehen, denn an den Zinsmärkten sind Verluste praktisch vorprogrammiert.

Nachlassende Kapitalzuflüsse im Marktsegment ETF

Ausgesprochen interessante Zahlen zum ETF-Sektor lieferte der World Gold Council (WGC) Anfang des Monats. So haben sich zum Beispiel im März die weltweiten Goldzuflüsse gegenüber dem Vormonat von 35,2 Tonnen auf 187,3 Tonnen mehr als verfünffacht, was vor allem auf den kriegsbedingt stark gestiegenen Goldhunger nordamerikanischer (plus 100,6 Tonnen) und europäischer Anleger (plus 82,7 Tonnen) zurückzuführen war. Im April scheint sich dieser Trend jedoch wieder normalisiert zu haben, schliesslich beliefen sich die globalen Goldzuflüsse in den ersten drei Aprilwochen auf lediglich 49,9 Tonnen. Das nachlassende Interesse dieser Gruppe von Marktakteuren blieb auch beim Goldpreis nicht ohne Folgen

Insbesondere in der zweiten Aprilhälfte haben sich beim Goldpreis deutliche Bremsspuren gezeigt. Für Edelmetallprofi Hartmann sieht es danach aus, dass derzeit die schwachen Hände aus dem Markt geschüttelt werden. Verstärkte Goldverkäufe gab es in der Vergangenheit nach starken Kursrückgängen an den Aktienmärkten bereits des Öfteren zu beobachten. Dies war meist bei spekulativ orientierten Investoren der Fall, um die Margin-Anforderungen ihrer Broker erfüllen zu können. Edelmetallprofi Hartmann zieht folgendes Fazit und sagt: „Ich gehe davon aus, dass sich die Korrektur bei den Edelmetallen kurzfristig fortsetzen kann.“ Dabei sieht er im Bereich von 1.855 und 1.811 Dollar pro Feinunze wichtige charttechnische Unterstützungslinien und konstatiert: „Für langfristig orientierte Anleger, die noch nicht in Gold investiert sind, sollten dies sehr interessante Einstiegsgelegenheiten darstellen.“

Weissmetalle verzeichnen starke Verwerfungen

Weissmetalle wie Silber, Platin und Palladium verzeichneten im April besonders starke Kursausschläge. Hauptverantwortlich waren hierfür die kriegsbedingten Belastungen hinsichtlich der Sanktionen gegen Russland (insbesondere bei Palladium), der Lieferkettenprobleme im Automobilsektor (ukrainische LKW-Fahrer und Engpässe bei Kabelbäumen) sowie der allgemein eingetrübten Konjunkturperspektiven (siehe oben). Anfang des Monats meldete zudem das Ifo-Institut, dass die Erwartungen der deutschen Autohersteller und ihrer Zulieferer im März den stärksten jemals gemessenen Einbruch verzeichnet haben. Der Indikator für die Branche fiel nämlich innerhalb eines Monats von plus 14,4 Zähler auf minus 43,1 Punkte.

Auf Sicht von zwölf Monaten hat sich der Goldpreis (+5,4 Prozent) deutlich besser entwickelt als Silber (-11,8 Prozent), Platin (-24,8 Prozent) und Palladium (-23,2 Prozent) – und das bei deutlich geringeren Kursschwankungen. Während nämlich die historische 250-Tage-Volatilität bei Gold aktuell einen Wert von lediglich 17,9 Prozent anzeigt, reicht die Risikokennzahl bei den Weissmetallen von 32,5 Prozent (Silber) bis 58,8 Prozent (Palladium) und fällt damit deutlich höher aus. Für alle Anleger, die ein Goldinvestment vor allem als Vermögensschutz betrachten, dürfte dies einen besonders angenehmen Nebeneffekt darstellen, schliesslich dürfte man als risikoaverser Goldinvestor an einer Achterbahnfahrt eher nicht interessiert sein.

Edelmetallprofi Robert Hartmann sieht Silber und Gold als sogenannte monetäre Edelmetalle. Deshalb ist für ihn bei den weissen Edelmetallen unverändert Silber die erste Wahl. Für Kunden, die sich in den vergangenen Jahren krisensicher mit Gold und Silber ausgestattet haben, könne auch ein Investment in Platin und Palladium interessant sein. Er sagt: „Schaut man sich die aktuellen Kurse und Kursverhältnisse der einzelnen Edelmetalle untereinander an, so erscheint mir Platin mittel- bis langfristig unterbewertet.“ Sein ganz persönlicher Tipp: Bei Platin bietet sich ein Kauf in mehreren Tranchen an – vorzugsweise mehrwertsteuerfrei über das nahe Zürich beheimatete Zollfreilager von pro aurum.

April: Hohe Aufgelder bei Silbermünzen

Bei pro aurum erwies sich der Edelmetallhandel auch im April als sehr rege und herausfordernd. Nach wie vor kommen die Produzenten beim Bedienen der globalen Nachfrage nicht hinterher. Die Lieferzeiten für die wichtigsten Barren – und Münzgattungen betragen derzeit zwei bis fünf Wochen. Aus diesem Grund bleiben die Aufgelder für diese Produkte im historischen Kontext betrachtet weiterhin hoch. Dies gilt vor allem für Silbermünzen. Hier ist der Markt extrem angespannt und die Agios entsprechend hoch.

Drei Fragen an die Privatkunden von pro aurum

Im April haben sich an der Edelmetall-Stimmungsumfrage von pro aurum 672 Anleger (März: 1.020) beteiligt. Im Zuge des tendenziell rückläufigen Goldpreises ging es auch mit der Kauflaune bergab. So hat sich die Quote der Kaufwilligen gegenüber dem Vormonat von 54,9 auf 48,2 Prozent reduziert. Der Anteil abwartender Anleger fiel ähnlich hoch aus. Nachdem im März ein Wert von 41,2 Prozent gemeldet worden war, stellte sich im April mit 45,5 Prozent ein etwas höherer Wert ein. Mit grossem Abstand am geringsten fiel unter den Befragten wieder einmal die Verkaufsbereitschaft der Umfrageteilnehmer aus, wenngleich auf Monatssicht ein Anstieg von 3,9 auf 6,3 Prozent registriert worden war.

Goldreport 04/22: Goldpreis fällt von 2.000 unter 1.900 Dollar

Bei der Frage nach der Bewertung der aktuellen Edelmetallpreise gab es im April erhebliche Stimmungsveränderungen zu beobachten. So hat sich zum Beispiel der Anteil der Anleger, die Edelmetallpreise als unterbewertet einstufen, mit aktuell 40,3 Prozent deutlich erhöht (März: 29,7 Prozent). Am weitesten verbreitet ist aber weiterhin die Ansicht, dass Edelmetalle gegenwärtig fair bewertet seien. Hier stellte sich gegenüber dem Vormonat allerdings ein leichter Rückgang von 43,2 auf 41,7 Prozent ein. Dass bei Edelmetallen aktuell eine Überbewertung vorliegt, meinen 18,0 Prozent der Umfrageteilnehmer, nachdem hier vor einem Monat noch ein Wert von 27,1 Prozent registriert wurde.

Goldreport 04/22: Goldpreis fällt von 2.000 unter 1.900 Dollar

Hinsichtlich der weiteren Preisentwicklung der Edelmetalle im kommenden Quartal hat der Optimismus erneut einen Dämpfer erhalten. Im April waren lediglich 45,3 Prozent der Befragten (März: 50,0 Prozent) der Ansicht, dass die Edelmetallpreise steigen werden. Deutlich zugenommen hat im Berichtszeitraum hingegen die Einschätzung, dass Gold & Co. künftig zur Stagnation neigen werden. Ein solches Szenario erwarten derzeit 40,6 Prozent der Anleger (März: 33,3 Prozent). Die Pessimisten waren im April weiterhin eindeutig in der Minderheit. Auf Monatssicht war hier ein Rückgang von 16,7 auf 14,1 Prozent zu beobachten.

Goldreport 04/22: Goldpreis fällt von 2.000 unter 1.900 Dollar

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