Das erste Halbjahr verlief an den Goldmärkten ausgesprochen turbulent. Hohe Inflationsraten, die eingeläutete Zinswende sowie der russische Krieg gegen die Ukraine sorgten zwar für heftige Diskussionen, per Saldo kam das gelbe Edelmetall 2022 per Saldo aber kaum vom Fleck.

Krisenwährung beweist relative Stabilität

Während der DAX seit Ende Dezember 19 Prozent und das Anleihebarometer Bund-Future um 14 Prozent eingebrochen ist, kann man das leichte Plus des Goldpreises von 1,9 Prozent fast schon als relative Stärke interpretieren, wenngleich die altbewährte Krisenwährung ihr Jahreshoch bei 2.050 Dollar sowie ihr Anfang März markiertes Rekordhoch von 1.937 Euro mittlerweile deutlich unterschritten hat. Besonders stark fiel die diesjährige Outperformance des Goldpreises gegenüber US-Technologiewerten und der Kryptowährung Bitcoin aus. Diese belief sich nämlich auf 23 bzw. 45 Prozentpunkte. Damit dürfte jedem Investor klar sein, dass zwischen dem traditionellen Gold und dem häufig als digitales Gold bezeichneten Bitcoins Welten liegen. Der Blick auf die historische 100-Tage-Volatilität spricht Bände: Während sich diese Risikokennzahl beim gelben Edelmetall auf lediglich 19 Prozent beläuft fällt sie beim Bitcoin mit 74 Prozent fast um den Faktor vier höher aus.

Robert Hartmann, der Mitgründer von pro aurum, merkt hinsichtlich der diesjährigen Performance an, dass die Preisfindung von Gold vor allem am Terminmarkt in New York (Comex) sowie am Spotmarkt in London (LBMA) massgeblich bestimmt wurde. Der physische Handel spielt kurzfristig eher eine untergeordnete Rolle und wirkt sich bestenfalls mittelfristig aus. Weil spekulativ orientierte Marktteilnehmer in den vergangenen Monaten ihre Long-Positionen an der Futures-Börse in New York massiv abgebaut haben, ging der Goldpreis in eine Korrekturphase über. Robert Hartmann gibt sich dennoch optimistisch und sagt: „Das Fundament weiter steigender Goldpreise sind negative Realzinsen und die werden auch in den kommenden Monaten trotz steigender Leitzinsen negativ bleiben. Daher gehe ich davon aus, dass der Goldpreis im Jahresverlauf steigen wird.“

Auf lange Sicht gilt Gold als klare Erfolgsstory

In einem anderen Punkt kann man den Inflationsschutz Gold ebenfalls als hochüberlegen betrachten. Während der Bitcoin erst seit 2008 existiert, gibt es Euro-Bargeld immerhin seit über 20 Jahren. Da Gold die Menschheit bereits seit mehreren tausend Jahren fasziniert und als langfristiger Werterhalt prächtig funktioniert hat, bedarf es angesichts dieser Historie keiner grossen Überzeugungsarbeit. Selbst Notenbanken stufen Gold als ausgesprochen nützliche Anlageklasse ein.

Im Juni veröffentlichte der World Gold Council in diesem Zusammenhang eine ausgesprochen interessante Umfrage unter zahlreichen Notenbanken. Diese rechnen per Saldo damit, dass sich deren weltweite Goldreserven weiter erhöhen werden. Als Gründe für das Halten bzw. Kaufen von Gold nannten die Notenbanker folgende Gründe besonders häufig: Niedrige bzw. negative Realzinsen (91 Prozent), Inflationssorgen (88 Prozent), geopolitische Risiken (84 Prozent) sowie konjunkturelle Unsicherheiten (77 Prozent). Hinsichtlich der eigenen Goldreserven hat sich die Stimmung gegenüber dem gelben Edelmetall erneut verbessert. 25 Prozent der befragten Notenbanken wollen ihre Goldreserven in den kommenden zwölf Monaten aufstocken (2021: 21 Prozent), während 70 Prozent (Vorjahr: 68 Prozent) keine Veränderung ihrer Goldbestände planen. Besonders interessant: Wie im Vorjahr beabsichtigt derzeit keine einzige Notenbank, Gold in Zukunft zu verkaufen — wenn das kein gutes Omen ist. Nicht minder interessant stellt sich der Umstand dar, dass 46 Prozent der Notenbanken in den kommenden fünf Jahren zwischen 15 und 25 Prozent ihrer gesamten Währungsreserven in Gold halten möchten.

Laut Edelmetallprofi Hartmann kennen die Zentralbanken ganz genau die Vorzüge von Gold. Deshalb kaufen sie auch seit Jahren sukzessive nach. Nur zur Erinnerung: Allein die Deutsche Bundesbank verfügt aktuell über Goldreserven in Höhe von 3.358.5 Tonnen. Laut World Gold Council lagen die Nettokäufe der Notenbanken in den vergangenen zehn Jahren stets über 100 Tonnen und zeitweise sogar über 600 Tonnen. Robert Hartmann meint: „Notverkäufe erwarte ich persönlich nicht, zumindest nicht über den offiziellen Goldmarkt. Müsste eine Zentralbank — aus welchen Gründen auch immer — Gold verkaufen, so würde sich bestimmt eine andere Notenbank finden, die ihr das Gold mit Handkuss abnimmt.“

Fed dreht kräftig an der Zinsschraube

Im Juni beherrschten zwei Themen die Goldmärkte in besonders starkem Masse. Neben der historisch hohen und vor allem hartnäckigen Inflation befürchten die Anleger vor allem eines: steigende Zinsen. Im Juni haben zahlreiche Notenbanken aus G20-Ländern (Kanada, Australien, Indien, Brasilien, Mexiko, Schweiz und Argentinien) Zinserhöhungen beschlossen. Am heftigsten drückte natürlich der Zinsschritt der US-Notenbank Fed auf die Stimmung der Investoren. Mit einer Erhöhung um 75 Basispunkte auf nunmehr 1,75 Prozent beschlossen die US-Notenbanker die stärkste Anhebung seit 28 Jahren. Und das Ende der Fahnenstange dürfte damit noch nicht erreicht sein, schliesslich zeigt das FedWatch-Tool des US-Terminbörsenbetreibers CME Group derzeit eine Wahrscheinlichkeit von fast 82 Prozent an, dass wir Ende Juli eine weitere Zinserhöhung um 75 Basispunkte sehen werden, nachdem vor einem Monat hier lediglich ein Wert von null Prozent angezeigt worden war.

Edelmetallexperte Hartmann bezeichnet es als absurd, dass angesichts von Preissteigerungsraten von aktuell sieben bis acht Prozent europäische Sparer immer noch Negativzinsen für ihre Sparguthaben bei Banken bezahlen müssen. Er sagt: „Noch nie in der Geschichte war eine Notenbank so weit hinterher! Die führenden Zentralbanken werden Ihre Zinsen zwar weiter anheben, jedoch bei weitem nicht so stark, wie es angesichts der Inflationsraten notwendig wäre.“ Hartmann weist darauf hin, dass die ausufernde Verschuldung von Staaten, Unternehmen und Privatleuten dies gar nicht zulasse. Andernfalls würde nämlich eine echte Weltwirtschaftskrise drohen, was sicherlich nicht im Interesse der Notenbanken wäre.

Juni: Umsätze und Aufgelder leicht rückläufig
Mit Beginn der Sommermonate hat sich die Kauflaune an den Goldmärkten leicht abgeschwächt. Die Umsatztätigkeit im Juni hat zwar etwas nachgelassen, bewegt sich aber historisch betrachtet noch auf einem sehr ansprechenden Niveau. Die Aufgelder kommen dabei in Mini-Schritten leicht zurück. Dies liegt vor allem an der leicht verbesserten Versorgungslage, insbesondere bei den Barren ab 100 Gramm und den Unzenmünzen in Gold. Die Verfügbarkeit von Münzen in den Gewichtseinheiten 1/2 Unze, 1/4 Unze und 1/10 Unze kann man aber nach wie vor als „kritisch“ bezeichnet werden. Hier kommt von den Produzenten kaum Material auf den Markt.

Drei Fragen an die Privatkunden von pro aurum
An der Edelmetall-Stimmungsumfrage von pro aurum haben im Juni insgesamt 230 Anleger (Mai: 820) teilgenommen. Bei der Quote der Kaufwilligen gab es einen leichten Anstieg von 47,0 auf 48,3 Prozent zu vermelden, während der Anteil der abwartenden Anleger ein leichtes Minus von 47,0 auf 45,6 Prozent verzeichnet hat. Marginal bergauf ging es mit der Verkaufsbereitschaft der Befragten. Diese hat sich gegenüber dem Vormonat von 6,0 auf 6,1 Prozent erhöht.

Bei der Bewertung der aktuellen Edelmetallpreise gab es im Juni keine klar dominierende Meinung. Während 43,8 Prozent (Mai: 46,0 Prozent) der Befragten Edelmetallpreise derzeit als unterbewertet einstufen, betrachten 43,1 Prozent (Mai: 43,2 Prozent) der Anleger diese als fair bewertet. Deutlich nachgelassen hat hingegen die Meinung, dass Edelmetalle aktuell überbewertet sind. Hier gab es gegenüber dem Vormonat einen Quotenrückgang von 17,0 auf 13,1 Prozent zu beobachten.

Bei der Frage nach der weiteren Preisentwicklung der Edelmetalle im kommenden Quartal war ein markant gestiegener Optimismus registriert worden. Der Anteil der Zuversichtlichen kletterte im Juni von 43,8 auf 53,7 Prozent. Am zweithäufigsten war die Meinung vertreten, dass die Edelmetallpreise stagnieren werden. Hier stellte sich allerdings ein Rückgang von 40,5 auf 36,4 Prozent ein. Noch deutlicher bergab ging es indes mit der Anzahl der Pessimisten, wo sich auf Monatssicht ein markantes Minus von 15,7 auf 9,9 Prozent eingestellt hat.

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