Der weltweite Silbermarkt erlebt derzeit ein aussergewöhnliches Phänomen: Der Preis für sofort lieferbares Metall liegt über dem Terminpreis. Fachleute sprechen von einer tiefen Backwardation – einer Situation, die nur auftritt, wenn Käufer lieber heute als morgen beliefert werden wollen. Dieses Signal ist mehr als ein technisches Detail der Terminbörse: Es zeigt, dass die physische Versorgungskette im Silbermarkt angespannt ist und dass die Nachfrage nach echtem Metall stärker wächst als die Fähigkeit, es bereitzustellen.

In den vergangenen Monaten wurden Millionen Unzen Silber physisch bewegt, vor allem in Richtung London, wo Grossbanken und Industriekäufer Nachschub benötigen. Laut Reuters sind die börsenverfügbaren Bestände an der COMEX und der LBMA auf den niedrigsten Stand seit Jahren gesunken, während der Spotpreis Anfang Oktober zeitweise über 51 US-Dollar pro Feinunze stieg – ein Rekordwert. Anleger, die auf Preisdaten schauen, sehen zwar neue Höchststände, doch die eigentliche Dynamik spielt sich hinter den Kulissen der physischen Lieferketten ab.

Engpässe im Produktionskreislauf

Der Engpass im Silbermarkt ist kein klassischer Rohstoffmangel. Weltweit wird ausreichend Silber gefördert und recycelt. Das Problem liegt im Takt der Verarbeitung: Raffinerien in Nordamerika, der Schweiz und Asien arbeiten an der Kapazitätsgrenze. Es dauert inzwischen deutlich länger, bis angeliefertes Silber zu international anerkannten Grossbarren verarbeitet werden kann. Diese Verzögerung führt dazu, dass industrielle Verbraucher – insbesondere aus der Solarindustrie, der Elektronik und der Automobilbranche – physisches Metall bevorzugen, das sofort verfügbar ist. Parallel dazu kaufen institutionelle Investoren und börsengehandelte Fonds weiterhin grosse Mengen.

Dadurch entsteht ein logistisches Ungleichgewicht: Das Metall ist vorhanden, aber oft nicht dort, wo es gerade gebraucht wird. Der Transport zwischen den Märkten ist jedoch kostspielig und zeitaufwendig – und verschärft dadurch die Spannungen weiter.

Breitere Spreads, längere Lieferzeiten, steigende Finanzierungskosten

Die angespannte Lage wirkt sich unmittelbar auf den Handel aus. Händler und Verarbeiter müssen mit breiteren Spreads kalkulieren, also mit grösseren Unterschieden zwischen An- und Verkaufspreisen. Auch die sogenannten Lease Rates – die Leihzinsen für physisches Silber – sind laut Branchenberichten stark gestiegen und lagen an manchen Handelstagen bei rund 40% für 1 Monat (annualisierter Zinssatz – also effektiv rund 3,33% pro Monat) auf Rekordhoch im Vergleich zu den Vorjahren. Das gilt als klassischer Hinweis darauf, dass sofort verfügbare Ware am Markt knapp ist.

Mehrere internationale Grosshändler und Raffinerien melden derzeit längere Durchlaufzeiten für Standardbarren. Anleger, die physisches Silber in Form von Münzen oder Barren erwerben möchten, spüren das durch längere Lieferzeiten und teilweise erhöhte Aufgelder.

Trotz dieser Marktverzerrungen bleibt die Botschaft klar: Es handelt sich nicht um eine Krise des Silbers, sondern um eine temporäre Desynchronisation zwischen Nachfrage, Verarbeitung und Logistik. Sobald Raffineriekapazitäten erweitert und Transportwege entlastet sind, dürfte sich der Markt wieder normalisieren. Einen konkreten Zeitrahmen dafür nennt derzeit jedoch kein Analyst.

Stabilität durch Vertrauen und klare Strukturen

In einem so sensiblen Marktumfeld spielt Vertrauen eine entscheidende Rolle. Für Anleger in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist es wichtiger denn je, mit seriösen, regulierten Händlern zu arbeiten, die physische Bestände im Inland bevorraten und transparente Lieferketten gewährleisten.

Zudem kann es sinnvoll sein, die Lagerung über verschiedene Standorte zu diversifizieren – etwa durch die Einlagerung im Zollfreilager der Schweiz, das zusätzlichen Schutz und Flexibilität bietet.

Der weltweite Silbermarkt befindet sich in einer Übergangsphase: Alte Strukturen stossen an ihre Grenzen, neue Akteure und Technologien verschieben die Nachfrage. Die zentrale Erkenntnis dieser turbulenten Monate lautet jedoch: Echtes, physisches Silber besitzt heute wieder einen strategischen Wert, der weit über kurzfristige Kursbewegungen hinausgeht.

Bildquelle: Composing / pro aurum


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