Das Jahr 2022 war an den Goldmärkten vor allem von zwei Einflüssen geprägt: dem Zinsanstieg und der Dollarstärke. Im kommenden Jahr stehen die Chancen recht gut, dass deren negativer Einfluss auf den Goldpreis nachlassen wird.

Zinsen und Dollar wirken wie ein „Bremsklotz“

Nur zur Erinnerung: Die US-Notenbank Fed hat im Jahr 2022 siebenmal die Leitzinsen erhöht – seit März um insgesamt 425 Basispunkte. Mitte Dezember erfolgte nach vier Zinsschritten um 75 Basispunkte eine Erhöhung um „lediglich“ 50 Basispunkte auf das höchste Niveau seit 2007. Dies hat den Dollarindex, der die US-Währung mit sechs anderen wichtigen Währungen vergleicht, bis dato zu einem Anstieg von über acht Prozent verholfen. Obwohl Fed-Chef Jerome Powell auf der letzten Notenbanksitzung des Jahres (14. Dezember) für das kommende Jahr weitere Zinserhöhungen und eine Rezession in Aussicht gestellt hat, könnte mit Blick auf die Geldpolitik das Schlimmste überstanden sein. Besonders interessant: Seit Juni hat sich die US-Inflationsrate von 9,1 auf 7,1 Prozent p.a. (November) signifikant reduziert.

Der Strategiewechsel in der Geldpolitik der Fed hat bei den Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen im Jahresverlauf zu einer Verdopplung auf 3,7 Prozent p.a. geführt. Was Kapitalanleger eher erfreut, hat aber sowohl die Finanzierungskosten für Unternehmens- und Immobilienkredite als auch die Schuldenfinanzierung von Staaten mit minderer Bonität empfindlich in die Höhe getrieben. Angesichts der höchsten Inflationsrate seit Jahrzehnten dürfte ein „Weiter so“ allen Beteiligten massive Finanzierungsprobleme bereiten. Eines dürfte keine Notenbank der Welt in der gegenwärtigen Marktlage anstreben: Die Inflation wird wohl bis auf weiteres die Anleiherenditen von Staatsanleihen mit guter Bonität übertreffen (-> negative Realzinsen). Übrigens: In solchen Marktphasen hat sich der Goldpreis in der Vergangenheit meist positiv entwickelt.

WGC mit tendenziell optimistischem Ausblick für 2023

Die Mitte Dezember vom World Gold Council (WGC) veröffentlichte Publikation „Gold Outlook 2023 – The global economy at a crossroads“ enthielt zwar keine konkreten Prognosen oder Kursziele, dennoch enthielt sie für Goldinteressierte ausgesprochen nützliche Informationen. Auf insgesamt sechs Seiten spielt der WGC drei denkbare Szenarien und liefert – neben insgesamt zwölf interessanten Grafiken über wichtige Einflussfaktoren auf den Goldpreis – eine Tabelle mit interessanten Thesen. Diese zeigt auf, welche Entwicklungen in drei unterschiedlichen Konjunkturphasen (heftiger Einbruch, milde Rezession und weiche Konjunkturlandung) hinsichtlich Opportunitätskosten, Risiken und Momentum zu erwarten sind und wie sich diese auf den Goldpreis auswirken könnten. Lange Rede, kurzer Sinn: Grundsätzlich kommt die Analyse zu dem Ergebnis, dass bei Gold das Aufwärtspotenzial stärker ausgeprägt ist, als die Verlustgefahr.

Die Firma Heraeus Precious Metals, die weltweit zu den führenden Anbietern von Edelmetallservices und -produkten gehört sowie mehr als 20 verschiedene Goldbarren produziert und vermarktet, hat im Dezember ebenfalls eine Studie zum Thema „Edelmetallprognosen 2023“ veröffentlicht. Deren Analysten scheuen sich allerdings nicht, konkrete Prognosen abzugeben bzw. Kursmarken für das Jahr 2023 zu nennen. In der zwölf Seiten starken Analyse wird zum Beispiel damit gerechnet, dass die Goldkäufe der Zentralbanken auf dem hohen Niveau verharren dürften. Während sie mit Blick auf die globale Schmucknachfrage das Problem sehen, das Nachfrageniveau von 2022 erneut zu erreichen, halten sie anziehende ETF-Käufe hingegen für möglich – insbesondere, wenn der Goldpreis wieder einen Aufwärtstrend einschlagen sollte. In erster Linie sei mit Blick auf den Goldpreis aber vor allem die künftige Richtung des Dollars entscheidend. Sobald die Fed ihre geldpolitische Ausrichtung ändern und zu einer expansiven Strategie wechseln sollte, dürfte dies dem Goldpreis in höhere Regionen verhelfen. Konkret prognostizieren die Heraeus-Analysten für das kommende Jahr pro Feinunze Gold eine Tradingrange zwischen 1.620 und 1.920 Dollar.

Charttechnische Hochspannung bei Gold

Anfang Dezember enthielt die HSBC-Publikation „Daily Trading“ auf fünf Seiten eine hochinteressante Analyse zu den charttechnischen Perspektiven von Gold. Die Kursverläufe wurden über sogenannte „Candlesticks“ (Kerzen) dargestellt, die stets folgende Kurse eines bestimmten Zeitraums enthalten: Eröffnung, Hoch, Tief und Schluss. Durch ihre jeweilige Farbe werden diese Kerzencharts besonders aussagekräftig. Liegt der Schlusskurs über (unter) der Eröffnung, wird die Kerze weiss (rot), wodurch Optimismus (Pessimismus) auf einen Blick erkennbar wird.

Als besonders interessant erwies sich die langfristige Darstellung des Goldpreises in Form von Ein-Jahres-Kerzen (pro Jahr eine Kerze). Hier gab es nämlich von 2001 bis 2012 zwölf weisse Kerzen in Folge (Jahresschluss höher als Jahresanfang) zu beobachten. Für die vergangenen zwölf Jahre machten die HSBC-Analysten im Zuge der technischen Korrektur eine sogenannte „Untertassen-Formation“ aus. Sollte im kommenden Jahr ein Sprung über deren bei 1.920 Dollar verlaufende obere Begrenzung gelingen, gilt dies in der Chartlehre als Kaufsignal und würde laut HSBC-Experten ein Kursziel von 2.800 Dollar eröffnen.

Auch die Darstellung in Form von Ein-Monats-Kerzen liefert nach Ansicht von HSBC zusätzliche interessante Erkenntnisse. Die im Sommer 2020 und März 2022 markierten Hochs im Bereich von 2.070 Dollar gelten nämlich als „klassisches Doppeltop“. Weil statt eines Kurseinbruchs, ein starker Rebound erfolgte, erwies sich das Trendwendesignal (nach unten) als „Bärenfalle“. Als positives Signal wurde sowohl die Rückeroberung der 200-Wochen-Linie als auch der Sprung über die Marke von 1.700 Dollar wahrgenommen. Als besonders wichtig wurden von HSBC diese drei Kursmarken eingestuft: 1.800 Dollar, 1.920 Dollar und 2.070 Dollar. Beim Blick nach unten empfehlen die Analysten zur strategischen Absicherung die Monatstiefs bei 1.617 bzw. 1.614 Dollar.

Robert Hartmanns Fazit inklusive Ausblick

Für Robert Hartmann, Mitgründer von pro aurum, ist eines unumstritten. Er sagt: „Gold hat in den vergangenen Jahren das getan, was es soll – nämlich den Kaufkraftverlust aus Papierwährungen ausgleichen. Dass dies unter Schwankungen erfolgte, ist ganz normal.“ Für den erfahrenen Edelmetallexperten ist völlig klar, dass der Markt ausatmen muss, um später wieder einatmen zu können. Er kann sich sehr gut vorstellen, dass die Zinsanhebungsorgie der Notenbanken wegen der drohenden bzw. bereits einsetzenden Rezession in vielen Industrieländern ab dem 2. Quartal 2023 erst einmal zum Stillstand kommt. Was die Inflationsrate angeht, kann es seiner Meinung nach ebenfalls zu einem temporären Rücksetzer kommen, sobald die hohen Vergleichswerte aus dem Jahr 2022 als Grundlage zur Berechnung dienen. Er konstatiert: „Die Inflationsrate wird aber sicherlich über dem Sparzins liegen, was zu negativen Realzinsen für Sparer führen wird. Ausserdem führt dies dazu, dass Schuldner ihre Schulden langfristig mit weniger werthaltigem Geld zurückzahlen müssen – wie dies in den vergangenen 100 Jahren übrigens schon immer der Fall war.“

Für verunsicherte Geldanleger empfiehlt Robert Hartmann folgende Sichtweise: „Wichtig ist meines Erachtens, die richtige Perspektive auf den Goldpreis zu haben. Deshalb sollte man die Notierung des gelben Edelmetalls immer in der eigenen Heimatwährung betrachten.“ Für 2022 bedeutet dies: Gegen Euro ist der Goldpreis heuer um rund 5 Prozent gestiegen. Der Japaner “freut” sich über einen Wertzuwachs von 13 Prozent und ein Ägypter müsste ja fast schon jubeln, angesichts eines Anstiegs des Goldpreises um über 56 Prozent in ägyptischen Pfund. Problem dabei: Leider können sich nur sehr weniger Ägypter leisten, ihre Kaufkraft durch den Goldkauf zu erhalten. Die schwache Währung zeigt, dass dieses Land wirklich ernsthafte Probleme hat und die Menschen dort genug zu tun haben, um überhaupt über die Runden zu kommen. Verglichen damit, kann man in Deutschland von „Jammern auf hohem Niveau“ sprechen.

Bildquelle: https://istockphoto.com


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