Platin bleibt trotz Preisanstieg gefragt: strukturelles Angebotsdefizit, neue Impulse durch Wasserstoff-Technologien, starkes Wachstum bei Schmuck und Investitionen. pro aurum hat mit dem Experten Trevor Raymond ein Interview zum Platin-Markt geführt.
Trevor Raymond ist seit 2014 Teil des Führungsteams des World Platinum Investment Council (WPIC) und seit 2022 CEO. Der Edelmetall-Experte verfügt über mehr als 30 Jahre Markterfahrung und leitete zuvor bei Anglo American Platinum (heute Valterra Platinum) in London die Rohstoffanalyse und Marktentwicklung.
Herr Raymond, was war Ihrer Meinung nach der Haupttreiber für den jüngsten Preisanstieg bei Platin?
Bereits lange vor der jüngsten Kursrallye haben unsere Daten klar auf die starken Fundamentaldaten von Platin und seine deutliche Unterbewertung im Vergleich zu Gold hingewiesen.
Seit 2023 befindet sich der Platinmarkt in einem strukturellen Angebotsdefizit, das nach unseren Prognosen bis mindestens 2029 anhalten wird. Die Nachfrage ist breit diversifiziert und robust, während das Angebot tendenziell weiter zurückgeht. Gleichzeitig entstehen neue Nachfragesegmente, insbesondere durch wasserstoffbezogene Anwendungen, die stark an Bedeutung gewinnen. Zudem schrumpfen die oberirdischen Lagerbestände kontinuierlich; aktuellen Schätzungen zufolge dürften sie bis Ende 2029 vollständig aufgebraucht sein.
Bis Mai dieses Jahres spiegelte sich diese zunehmende Knappheit jedoch nicht im Preis wider. Erst wachsende Zollbedenken und eine stärker als erwartete Nachfrage aus China – erkennbar an deutlich höheren Importen – haben die Marktenge zusätzlich verschärft. Diese Faktoren, kombiniert mit einer wachsenden Wahrnehmung des attraktiven Investment-Case von Platin, haben letztlich zu dem kräftigen Preisanstieg geführt.
Wie wird sich der gestiegene Platinpreis auf Angebot und Nachfrage auswirken?
Der höhere Preis dürfte weder die Nachfrage spürbar dämpfen noch das Angebot nennenswert ausweiten. Wir gehen daher davon aus, dass die prognostizierten Marktdefizite bestehen bleiben. Grund dafür ist, dass die Beziehung zwischen Preis, Angebot und Nachfrage bei Platin weitgehend preisunelastisch ist.
Unsere Analysen zeigen, dass selbst deutliche Preisbewegungen in der Vergangenheit keine unmittelbaren Anpassungen von Angebot oder Nachfrage ausgelöst haben. Reaktionen erfolgen häufig erst mit mehreren Jahren Verzögerung.
Trotz steigender Preise rechnet das WPIC mit einem Rückgang der Minenproduktion. Woran liegt das?
Für 2025 erwarten wir, dass das gesamte Minenangebot um sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr sinkt und nur noch 5,426 Millionen Feinunzen erreicht. Das entspricht einem Rückgang von rund 701.000 Feinunzen beziehungsweise etwa elf Prozent im Vergleich zum Fünfjahresdurchschnitt vor der COVID-Pandemie.
Dieser Rückgang ist das Ergebnis umfangreicher Restrukturierungen in der Branche, ausgelöst durch die niedrigen Preise im PGM-Basket (Platingruppenmetalle) zwischen 2023 und Mai dieses Jahres. Viele Bergbauunternehmen haben Personal abgebaut und Investitionen gekürzt, was sowohl Ersatzprojekte als auch Wachstumsinitiativen ausgebremst hat.
Die Preisrallye im ersten Halbjahr 2025 hat zwar dazu beigetragen, dass zahlreiche Minen wieder aus der Verlustzone herauskamen, doch die aktuellen Preise gelten noch nicht als hoch genug, um neue Produktionsprojekte anzustossen.
Wie gross ist die Gefahr eines Nachfragerückgangs im Automobilsektor angesichts des wachsenden Anteils von batterieelektrischen Fahrzeugen?
Die Automobilindustrie ist mit einem Anteil von rund achtunddreissig Prozent an der jährlichen Gesamtnachfrage nach wie vor das wichtigste Segment für Platin – vor allem durch den Einsatz in Katalysatoren. Die Risiken, die von der zunehmenden Elektrifizierung des Fahrzeugmarktes ausgehen, werden jedoch häufig überschätzt.
Langfristig wird die Nachfrage aus dem Automobilbereich zwar zurückgehen, doch dieser Prozess wird sehr langsam und über viele Jahre hinweg verlaufen. Trotz steigender Produktionszahlen bei batterieelektrischen Fahrzeugen geht das WPIC davon aus, dass Verbrennungsmotoren – einschliesslich Hybridfahrzeugen – bis mindestens 2040 den grössten Anteil an der weltweiten Fahrzeugproduktion stellen werden.
Wir prognostizieren, dass die Platinnachfrage im Automobilbereich zwischen 2024 und 2029 nur um etwa 1,7 Prozent pro Jahr zurückgehen wird. Für das Jahr 2029 erwarten wir eine Automobilnachfrage von 2,853 Millionen Feinunzen. Darüber hinaus rechnen wir mit zusätzlichen Nachfrageimpulsen durch Brennstoffzellenfahrzeuge, vor allem in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts.
Die Platinschmucknachfrage ist letztes Jahr wieder gestiegen. Was steckt hinter dieser Erholung nach mehreren Jahren des Rückgangs?
Ein wesentlicher Treiber dieser Entwicklung war das starke Wachstum ausserhalb Chinas in den vergangenen zehn Jahren, das den dortigen Nachfragerückgang bis 2024 weitgehend kompensiert hat. In den letzten Jahren hat zudem der deutliche Preisvorteil von Platin gegenüber Gold die Nachfrage nach Platinschmuck in vielen Märkten spürbar beflügelt.
Für dieses Jahr erwarten wir eine sehr positive Entwicklung in nahezu allen Regionen. In Europa dürfte die Nachfrage um rund sieben Prozent steigen und damit ein Rekordhoch erreichen. Auch in Nordamerika und Japan wird mit einem Wachstum von acht Prozent beziehungsweise fünf Prozent gerechnet. In Indien hingegen könnte die Nachfrage leicht zurückgehen, was allerdings vor allem daran liegt, dass das aussergewöhnlich hohe Niveau von 2024 aufgrund möglicher Zollunsicherheiten bei Exporten in die USA kaum zu halten ist. Besonders bemerkenswert ist die Entwicklung in China: Hier erwarten wir einen Nachfrageanstieg von rund fünfzehn Prozent – ein beeindruckendes Comeback für einen Markt, der erst 2024 nach fast einem Jahrzehnt der Stagnation wieder in den Wachstumsmodus zurückgekehrt ist. Vor Ort gibt es sogar Hinweise darauf, dass das tatsächliche Wachstum die bisherigen Prognosen noch übertreffen könnte.
Die industrielle Platinnachfrage ausserhalb des Automobilsektors wird 2025 voraussichtlich sinken. Sollten Investoren beunruhigt sein?
Ganz im Gegenteil – die breite Nachfragebasis von Platin ist eine seiner grössten Stärken. Das Metall ist in einer Vielzahl von Anwendungen unverzichtbar, darunter Herzschrittmacher, pharmazeutische Wirkstoffe, Halbleiter, Petrochemikalien, Silizium und Glasfasern. Seine katalytischen und physikalischen Eigenschaften machen Platin zu einem Schlüsselrohstoff für zahlreiche Industrien.
Für 2025 rechnen wir dennoch mit einem Rückgang der industriellen (nicht-automobilen) Nachfrage um rund fünfzehn Prozent. Der Hauptgrund liegt in einem zyklischen Abschwung bei der Glaskapazität: Die beiden Vorjahre waren durch erhebliche Ausweitungen der Glasfaserproduktion geprägt, die in diesem Jahr nicht fortgesetzt werden.
Ab 2026 erwarten wir jedoch eine Rückkehr zu stabilem Wachstum. Laut unseren Prognosen wird sich die industrielle Platinnachfrage ab diesem Zeitpunkt auf etwa 2,3 Millionen Feinunzen pro Jahr einpendeln und dieses Niveau bis 2029 halten.
Welche langfristige Rolle spielt Platin in wasserstoffbezogenen Technologien?
Platin gewinnt weltweit an strategischer Bedeutung, da immer mehr Länder das Metall als kritischen Rohstoff einstufen – vor allem wegen seines Einsatzes in wasserstoffbasierten Technologien, die eine Schlüsselrolle bei der Energiewende spielen.
Bereits heute entfallen über achtzig Prozent der Platinanwendungen auf Technologien, die entweder schädliche Emissionen reduzieren oder die Energieeffizienz verbessern. Eine zentrale Rolle spielt Platin als Katalysator in PEM-Technologien (Protonenaustauschmembran) – sowohl in Elektrolyseuren zur Wasserstoffproduktion als auch in Brennstoffzellenfahrzeugen.
Für 2025 erwarten wir, dass die wasserstoffbezogene Platinnachfrage um rund fünfunddreissig Prozent steigt, wenngleich von einer noch relativ kleinen Basis ausgehend. Unsere Prognosen gehen davon aus, dass diese Nachfrage bis 2029 erheblich zunehmen wird und dann einen spürbaren Beitrag zur Gesamtplatinnachfrage leisten dürfte – insbesondere durch den wachsenden Einsatz von Brennstoffzellentechnologien.
Warum sollten Anleger Platin neben Gold und Silber halten?
Platin besitzt viele Eigenschaften eines monetären Metalls. Auch wenn es historisch weniger verbreitet als Wertspeicher genutzt wurde, ist es bereits als Münzmetall im Einsatz gewesen und wird heute als Investitionsgut anerkannt.
Bemerkenswert war beispielsweise, dass der US-Händler Costco Ende 2024 Platin in sein Edelmetallangebot aufgenommen hat – neben Gold und Silber.
Neben seiner attraktiven Bewertung im Vergleich zu Gold bietet Platin zudem einzigartige Diversifizierungsvorteile. Diese resultieren aus der Kombination von industrieller Nutzung, strategischer Bedeutung und relativer Seltenheit. Für Anleger eröffnet dies die Chance, ihr Portfolio breiter aufzustellen und gleichzeitig von den wachsenden strukturellen Defiziten am Platinmarkt zu profitieren.
Bildquelle: proaurum
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