In der Finanzwelt wird häufig zwischen den Fachbegriffen „nominal“ und „real“ unterschieden. Letztgenannter zeichnet sich in der Regel dadurch aus, dass eine Bereinigung um die jeweilige Inflation vorliegt.

Inflation auf keinen Fall ignorieren

Bei der Angabe von Zinsen ist eine Unterscheidung in „nominal“ und „real“ besonders weit verbreitet. Investments in Anleihen machen bekanntlich nur dann Sinn, wenn die Inflationsrate den Nominalzins unterschreitet und somit positive Realzinsen vorliegen. Hohe positive Realzinsen gelten normalerweise als nachteilig für Gold, weil dessen Besitzer auf diese Einnahmen verzichten müssen, was zu entsprechend hohen Opportunitätskosten führt. Negative Realzinsen werden hingegen als vorteilhaftes Marktumfeld für Gold interpretiert. Während US-Staatsanleihen seit einigen Monaten wieder positive Realzinsen ermöglichen, unterschreiten die Renditen deutscher Bundesanleihen – selbst bei Laufzeiten von 30 Jahren – weiterhin die Inflationsrate, die im Oktober bei 3,8 Prozent p. a. lag.

Eine Bereinigung um die Inflation bietet sich aber nicht nur bei Zinsen, sondern im Grunde genommen bei jeder Geldanlage an, schliesslich sollte das Mindestziel eines jeden Investments darin bestehen, inflationsbedingte Kaufkraftverluste durch Wertsteigerungen zu kompensieren bzw. zu übertreffen. Die internationale Investment- und Vermögensverwaltungsgesellschaft Invesco hat in ihrem Goldreport für das dritte Quartal u. a. darauf hingewiesen, dass der reale (inflationsbereinigte) Goldpreis Ende September mit 602,11 Dollar weit unter dem nominalen (tatsächlichen) Goldpreis in Höhe von 1.848,63 Dollar notierte.

Interpretation dieser Diskrepanz

Die starke Abweichung lässt sich folgendermassen interpretieren: Auf inflationsbereinigter Basis sind wir von dem Anfang der 80er-Jahre erzielten Rekordhoch von ungefähr 820 Dollar noch „meilenweit“ entfernt. Um auf Inflationsbereinigter Basis ein Rekordhoch zu erzielen, hätte der Goldpreis Ende September deutlich über 2.500 Dollar notieren müssen. Da wir derzeit eine Marktphase mit relativ hoher Inflation erleben, dürfte sich diese Marke immer weiter nach oben bewegen. Für Goldinvestoren lässt dies vor allem den Schluss zu, dass mit Blick auf das Erzielen eines „echten Rekordhochs“ noch erhebliches Nachholpotenzial existiert, wodurch sich die Wertzuwächse der vergangenen beiden Jahrzehnte relativieren.

Starke Korrelation zwischen Goldpreis und Fed-Bilanzsumme

Seit dem Jahrtausendwechsel hat man den Eindruck, dass neue Krisen in immer kürzeren Abständen auftreten und zugleich immer höhere Anstrengungen erfordern, um die daraus resultierenden Negativfolgen abzumildern. Als „Feuerwehren“ sind seither vor allem Staaten und Notenbanken (also der Steuerzahler) in Erscheinung getreten. In dem Invesco-Goldreport für Q3 2023 wird dieser Zusammenhang besonders gut veranschaulicht.

So bewegte sich zum Beispiel die Bilanzsumme der Fed vor dem Beinahe-Zusammenbruch des globalen Finanzsystems bei etwas mehr als einer Billion Dollar. Diverse Rettungsmassnahmen führten dann binnen weniger Monate zu einer Verdopplung auf über zwei Billionen Dollar, um danach innerhalb von vier Jahren auf mehr als vier Billionen Dollar anzusteigen. Der Goldpreis hat sich während dieses Zeitraums in der Spitze von unter 800 auf über 1.800 Dollar verteuert. Im Herbst 2014 folgte dann hinsichtlich der Bilanzsumme eine mehrjährige Seitwärtstendenz mit anschließender Talfahrt. Darauf reagierte die Krisenwährung Gold relativ lethargisch und war zeitweise sogar für weniger als 1.100 Dollar zu haben.

Den nächsten beim Goldpreis und bei der Bilanzsumme zu beobachtenden Schub nach oben gab es aufgrund der Corona-Krise ab dem Jahr 2000 zu beobachten. Bis April 2022 blähte die Fed ihre Bilanz auf fast neun Billionen Dollar auf, worauf der Goldpreis mit einem neuerlichen Anstieg auf zeitweise mehr als 2.000 Dollar reagierte.

Konsequenz für die Krisenwährung Gold

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Fed-Bilanz signifikant und dauerhaft sinken wird, kann als extrem gering eingestuft werden, zumal der „Megatrend Schuldenexplosion“ auch bei der EZB sowie Staaten, Unternehmen und Privathaushalten ein erhebliches Ausfallrisiko mit sich bringt. Die Bonität der USA wurde angesichts der Querelen um ein Anheben der Schuldenobergrenze und der mittlerweile deutlich gestiegenen Finanzierungskosten von den beiden Ratingagenturen Fitch und S&P bereits um eine Stufe reduziert und bei Moody’s droht ein ähnlicher Schritt, nachdem die Gesellschaft ihren Ausblick für die USA auf „negativ“ gesenkt hat.

Wenngleich der Bundesrepublik Deutschland von den grossen drei Ratingagenturen noch die Bestnote attestiert wird, sollte man sich darüber bewusst sein, dass auch die Schuldentragfähigkeit Deutschlands alles andere als auf soliden Füssen steht. Der deutsche Schuldenberg hat sich nämlich von 970 Milliarden Euro im Jahr 1995 auf aktuell mehr als 2,4 Billionen Euro vervielfacht, und ein ähnlich trostloses Bild liefert die Bilanzsumme der Deutschen Bundesbank. Diese hat sich nämlich seit dem Jahrtausendwechsel von fünf Billionen auf über zehn Billionen Euro ebenfalls mehr als verdoppelt.

Bonität, Zahlungsfähigkeit, Kontrahentenrisiko und Schuldentragfähigkeit sind Kennzahlen, die man bei der Beurteilung von Gold getrost ignorieren kann. Gold sollte man in erster Linie als global handelbare Krisenwährung interpretieren, die in physischer Form noch nie einen Totalverlust erlitten hat. Aktien, Anleihen oder Währungen kann man dieses Zeugnis indes nicht ausstellen.

Bildquelle: ©iStockphoto.com / Olivier Le Moal


Immer aktuell informiert: Folgen Sie pro aurum

So verpassen Sie nichts mehr! Informationen und Chartanalysen, Gold– und Silber-News, Marktberichte, sowie unsere Rabattaktionen und Veranstaltungen.
Facebook | Instagram | LinkedIn | Twitter

Der pro aurum-Shop

Die ganze Welt der Edelmetalle finden Sie in unserem Shop: proaurum.ch