Eines steht fest: Die Inflation befindet sich hierzulande auf einem Rekordniveau. Mit über sieben Prozent ist die Teuerungsrate so hoch wie zuletzt während der Ölkrise in den Siebzigerjahren. Wie hoch die Inflation tatsächlich ausfällt, ist allerdings bei genauerer Betrachtung nicht ganz klar — denn es kursieren zwei Werte: Während das Statistische Bundesamt die Inflationsrate für Juni auf 7,6 Prozent schätzt, weicht der Wert der EU-Statistikbehörde „Eurostat“ deutlich ab und liegt sogar bei 8,2 Prozent. Die „Tagesschau“ nimmt diese Differenz zum Anlass und fragt: „Welche ist aussagekräftiger?“

Die „Tagesschau“ relativiert in ihrer Analyse das Phänomen — gravierende Abweichungen von zuletzt bis zu nahezu einem Prozentpunkt seien bei den Angaben zur Preissteigerung mittlerweile keine Seltenheit mehr. Seit Monaten driften die Eurostat-Zahlen und die in Deutschland errechnete Inflationsrate Berechnungen der Tagesschau immer stärker auseinander. Die Wirtschaftsredakteure der ARD-Nachrichtensendung haben jedoch eine einfache Erklärung: Es werden zwei unterschiedliche Verbraucherpreisindizes (VPI) zur Berechnung der Inflationsrate verwendet:

Das Statistische Bundesamt nutzt den nationalen VPI. Er macht die durchschnittliche Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte für Konsumzwecke hierzulande kaufen, vergleichbar. Doch dieses Kaufverhalten lässt sich nicht „eins zu eins“ auf die gesamte Europäische Union übertragen. Deshalb hat die EU einen sogenannten „Harmonisierten Verbraucherpreisindex“ (HVPI) aufgebaut. Der HVPI ist also für grenzüberschreitende Vergleiche besser geeignet und kann dadurch leichte Verzerrungen hervorrufen, während der VPI die tatsächlichen Lebenshaltungskosten in Deutschland so genau wie möglich abbilden soll. Mit anderen Worten: Wenn es um den Alltag der Deutschen geht, ist der VPI des Statistischen Bundesamtes besser geeignet, die Entwicklung auch über eine längere Zeit hinweg abzubilden und dabei die spezifischen Gegebenheiten in einem Land zu berücksichtigen.

Die unterschiedlichen Inflationsraten resultieren teilweise aus der Zusammensetzung des Warenkorbes, der für die Berechnung der Teuerungsrate zugrunde gelegt wird. Konsumausgaben für das Glückspiel, Rundfunkbeitragszahlungen oder die theoretischen Kosten für selbst genutztes Wohneigentum sind nach Darstellung der „Tagesschau“ im HVPI nicht berücksichtigt. Besonders die letztgenannte Position ist im europäischen Vergleich jedoch sehr unterschiedlich ausgeprägt; so liegt die Wohneigenheimquote in Deutschland bei nur 50 Prozent (nur die Hälfte der deutschen Bevölkerung ist also Eigentümer eines Hauses oder einer Eigentumswohnung), womit die Bundesrepublik im europaweiten Vergleich das Schlusslicht ist.

Bei der Recherche der „Tagesschau“ zu den Gründen für die abweichenden Inflationszahlen wird deutlich, dass die Statistiken nur einen Teil der Realität abbilden können. Die „Tagesschau“ geht beispielsweise auf den sogenannten „Substitutionseffekt“ ein. So würden Verbraucher auf günstigere Produkte umsteigen, wenn ein bestimmtes Konsumgut teurer wird. Zudem werde der nationale Verbraucherpreisindex gemäss den Anteilen aus dem Jahr 2015 gewichtet und nur alle fünf Jahre aktualisiert, die Gewichtung im vom Eurostat genutzten HVPI wird dagegen jährlich angepasst.

Doch welcher Index ist aussagekräftiger? Die Wirtschaftsredakteure der „Tagesschau“ tun sich mit einer Antwort schwer — denn vor allem die Corona-Pandemie hat das Kaufverhalten der Menschen stark verändert und viele Haushalte hätten ihre Konsumgewohnheiten an Geschäftsschliessungen und Beschränkungen von Freizeitaktivitäten angepasst. Entsprechende Effekte seien im nationalen VPI nicht berücksichtigt, der höhere HVPI erfasse diese Entwicklung dagegen. Und somit ist die Differenz zwischen der Inflation, die vom Statistischen Bundesamt gemeldet wird, sowie der Teuerungsrate von Eurostat zusätzliches Wasser auf die Mühlen derer, die Zweifel an der Höhe der aktuell diskutierten Inflationszahlen haben. Viele Verbraucher sind davon überzeugt, dass die tatsächliche Inflation deutlich höher ausfällt, weil die theoretischen Modelle mit fiktiven Warenkörben nicht das erfassen können, was sich täglich an der Tankstelle oder der Supermarktkasse abspielt.

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