Während sich die EZB immer noch im Wartemodus befindet, haben mehrere Zentralbanken — darunter auch die Fed — die Zinswende bereits eingeläutet. Normalerweise wird dies unter Investoren als Belastungsfaktor für Gold betrachtet, aber was ist heutzutage schon normal?

Renditen im Höhenflug

Der eher für Langeweile stehende Anleihemarkt verzeichnete in den vergangenen Monaten heftige Turbulenzen. So erlitten in diesem Jahr zahlreiche Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von mehr als zehn Jahren Kursverluste von in der Spitze mehr als zehn Prozent. Mit etwas mehr als 13 Prozent fiel das maximale Minus beim in Euro berechneten Goldpreis nur unwesentlich höher aus. Zeitweise kletterten die jährlichen Anleiherenditen hierzulande erstmals seit 2014 wieder über die Marke von einem Prozent. In den USA boten zehnjährige Staatsanleihen zeitweise sogar über drei Prozent p.a. Aufgrund der deutlich höheren Inflation in Höhe von 8,3 Prozent (USA) bzw. 7,4 Prozent (Deutschland) stellt dies dennoch keinen Grund zum Jubel oder gar zum Anleihekauf dar, schliesslich verlieren Anleihen inflationsbedingt seit Jahren an Kaufkraft und leiden somit unter einer systematischen Vernichtung von Kaufkraft.

Als Hauptgrund für die Anleiheverluste und den damit verbundenen Zinsanstieg ist zweifellos der Kurswechsel der US-Notenbank Fed anzusehen. Der erste Zinsschritt nach oben erfolgte Mitte März und fiel mit 25 Basispunkten noch relativ moderat aus. Anfang Mai beschlossen die US-Notenbanker dann mit 50 Basispunkten die stärkste Zinserhöhung seit 22 Jahren. Selbst ein Zinsschritt in Höhe von 75 Basispunkte wurde an den Finanzmärkten für möglich gehalten. Da sich in den USA Wirtschaft und Arbeitsmarkt relativ robust entwickelt haben, galt der kräftige Zinsschritt nach oben als probates Mittel, die hohe Inflationsrate zu bekämpfen. Da die EZB die europäischen Leitzinsen unverändert belassen hat, erlitt der Euro einen Schwächeanfall. Obwohl der starke Dollar die Goldnachfrage und damit auch den Goldpreis eher belastet, verbuchten europäische Goldbesitzer währungsbedingt jedoch geringere Verluste.

Wirkung höherer Zinsen auf den Goldpreis

In normalen Zeiten werden Zinserhöhungen als nachteilhaft für Gold angesehen. Hierfür gibt es mehrere Gründe. Erstens: Unter Goldbesitzern erfordert während Zinserhöhungszyklen der Verzicht auf die höheren Zinsen — die sogenannten Opportunitätskosten — eine stärkere Überwindung als dies während Niedrigzinsphasen der Fall ist. Zweitens: Steigende Zinsen belasten die konjunkturelle Entwicklung und damit auch den Arbeitsmarkt. Haben Anleger weniger Geld zur freien Verfügung, könnte dies zu rückläufigen Goldinvestments führen. Sinkende Einkommen gelten vor allem in China und Indien — den weltweit wichtigsten Nachfrageländern von Goldschmuck — als potenzieller Belastungsfaktor für den Goldpreis. Drittens: Sollte es im Zuge von Zinserhöhungen zu Turbulenzen an den Finanzmärkten kommen, könnte es auch an den Goldmärkten zu erheblichem Verkaufsdruck kommen. Hohe Verluste in anderen Anlageklassen könnten Investoren zum Verkauf ihrer Goldpositionen zwingen.

Da wir derzeit alles andere als normale Zeiten erleben, sollten die drei oben erwähnten potenziellen Belastungsfaktoren für den Goldpreis differenziert betrachtet und kritisch hinterfragt werden. Ob Anleihen bei steigenden Zinsen (Opportunitätskosten) nachhaltig an Attraktivität gewinnen werden, darf aus folgenden Gründen bezweifelt werden. Nur zur Erinnerung: Aktuell geben viele Banken den von der EZB verlangten Einlagenzins (Strafzins) in Höhe von 0,5 Prozent p.a. an ihre Kunden weiter, was zu einer systematischen Vernichtung von Sparvermögen führt. Zudem reduziert sich durch die hohe Teuerungsrate die Kaufkraft des Euros derzeit besonders stark.

Robert Hartmann, Mitgründer von pro aurum, merkt an, dass viele Anleger nur auf den Nominalzins achten, anstatt sich den Realzins — also den Nominalzins abzüglich der Inflationsrate — anzusehen. Sein Fazit lautet daher: „Solange der Realzins negativ ist, verlieren zinstragende Anlageklassen sukzessive Kaufkraft.“ Ausserdem könne man gegenwärtig ohnehin nicht von hohen Zinsen sprechen, schliesslich belief sich beim letzten signifikanten Top des Goldpreises im Januar 1980 der Zinssatz amerikanischer Staatsanleihen auf mehr als 15 Prozent bei gleichzeitig noch höherer Inflation. Er erinnert sich noch gut an diese Zeiten zurück und sagt: „Erst als die Inflationsraten auf Kosten einer scharfen Rezession zu sinken begannen, fiel der Goldpreis. Dieser Rückgang dauerte mehr als 20 Jahre und endete erst im April 2001 bei Kursen um 250 Dollar pro Feinunze.“

Eine Regel an den Finanzmärkten besagt übrigens: Je höher die Renditechance eines Investments, desto höher fällt auch dessen Verlustrisiko aus. Übertragen auf Anleihen lässt sich diese Behauptung besonders gut nachvollziehen, schliessßlich dürfte sich im Zuge explodierender Schuldenberge, bei steigenden Zinsen deren Tragfähigkeit stark verschlechtern. Im Grunde genommen basiert der Preis von Anleihen in erster Linie auf dem Vertrauen, dass der Schuldner dauerhaft Zins und Tilgung leisten kann. Dieses Kontrahentenrisiko müssen die Besitzer von Goldmünzen bzw. -barren nicht eingehen.

Gold: Sicherer Hafen in stürmischen Zeiten?

Selbst eine Rezession muss dem Goldpreis nicht zwangsweise schaden, schliesslich ist in solchen Konjunkturphasen das Schutzbedürfnis der Anleger erfahrungsgemäss besonders stark ausgeprägt. Möglicherweise schrauben dann verunsicherte Investoren ihre Konsumausgaben zurück und kaufen lieber Gold. Ausserdem könnte sich die gegenwärtig hohe Inflation trotz höherer Zinsen als hartnäckig erweisen, da sowohl Russlands Krieg gegen die Ukraine als auch die corona-bedingten Lockdowns in China die Preise vieler Güter nach oben treiben. Übrigens: Aktuell befürchten zahlreiche Kapitalmarktexperten eine Stagflation, also eine wirtschaftliche Stagnation bei hoher Inflation. Der World Gold Council warnte bereits im Oktober vor einer Stagflation und wies zugleich darauf hin, dass sich der Goldpreis in der Vergangenheit während solcher Phasen meist positiv entwickelt hat.

Gold wird unter anderem eine negative Korrelation zu Aktien nachgesagt. Geht es mit ihnen steil bergab, profitiert der Goldpreis häufig von Umschichtungen in die Krisenwährung. Ein Ausverkauf an den Aktienmärkten — aus welchen Gründen auch immer — muss unter Investoren aber nicht zwangsläufig einen „Goldrausch“ auslösen. In der krisenreichen Vergangenheit gab es immer wieder Sell-off-Phasen, in denen alles verkauft wurde — auch Gold. Diese „Anomalien“ gab es zum Beispiel im Zuge der Lehman-Pleite (Herbst 2009) und beim Ausbruch der Pandemie (Anfang 2020) zu beobachten, erwiesen sich jedoch stets als temporärere Erscheinung. Nachdem sich die Gemüter beruhigt hatten, drehte der Goldpreis wieder markant nach oben. Unter langfristigen Aspekten sollten Anleger mit Blick auf die Absicherung ihres Vermögens Gold als „erste Wahl“ und „absolutes Must-have“ einordnen.

Bei pro aurum sieht man der Zinswende gelassen entgegen

Zweifellos verfolgen die Akteure an den Goldmärkten die Entwicklung an der „Zinsfront“ gegenwärtig besonders intensiv. Das FedWatch-Tool des Terminbörsenbetreibers CME Group zeigt derzeit eine Wahrscheinlichkeit von über 83 Prozent an, dass wir sowohl im Juni als auch im Juli zwei Zinserhöhungen um jeweils 50 Basispunkte sehen werden. Mit positiven Realzinsen ist in absehbarer Zukunft hingegen nicht zu rechnen, so dass Gold — losgelöst vom aktuellen Marktrauschen — für viele verunsicherte Investoren eine besonders attraktive Geldalternative bleiben wird.

Bei pro aurum übertrafen die Orders in den Wochen nach Kriegsbeginn den Durchschnitt der ersten beiden Monate des Jahres um knapp 100 Prozent. Und daran hat auch die Diskussion über die anstehende Zinswende nichts geändert. Bei Goldbarren und -münzen kann man weiterhin eine sehr hohe Nachfrage beobachten. Ihre Beschaffung stellt sich derzeit als sehr herausfordernd dar, was insbesondere bei kleinen Stückelungen zu Lieferzeiten von sechs bis acht Wochen geführt hat. Bei pro aurum macht man sich bezüglich der weiteren Geschäftsperspektiven keine grossen Sorgen. Aufgrund der Diskussionen um eine mögliche Zinswende wird daher nicht mit einem Rückgang der physischen Goldnachfrage gerechnet. Eine wichtige Begründung liefert der erfahrene Edelmetallexperte Hartmann gleich mit und sagt: „Gold und Silber profitieren als sogenannte monetäre Edelmetalle von dem unglaublichen Inflationspotenzial, das sich nach den ständigen Interventionen und massiven Erhöhungen der Geldmengen durch die wichtigsten Notenbanken der Welt seit 2009 aufgebaut hat. Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, wann sich das aufgestaute Inflationspotenzial entladen würde.“

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