Weissmetalle wie Silber, Platin und Palladium haben in diesem Jahr einmal mehr gezeigt, dass sie erheblich stärker schwanken als das gelbe Edelmetall. Gemessen an der diesjährigen Performance liegen sie aber gar nicht so weit auseinander.

Palladium mit markanter Preisschwäche

Bei den Weissmetallen hat in diesem Jahr angesichts eines Jahresverlusts von bislang elf vor allem Palladium enttäuscht, bei Silber (+2,5 Prozent) und Platin (+3,6 Prozent) wurden hingegen leichte Gewinne verbucht (Stand: 21.12.22). Während bei Gold die industrielle Nachfrage eine eher untergeordnete Rolle spielt, können die Edelmetalle Silber, Platin und Palladium als ausgesprochen konjunktursensitiv bezeichnet werden. Dabei leistet Silber sowohl als monetäre Krisenwährung wertvolle Dienste, wird dank seiner nützlichen physikalischen Eigenschaften aber auch in diversen Industriebranchen rege nachgefragt.

Insbesondere seine gute Leitfähigkeit von Wärme und Strom macht es zu einer wichtigen Komponente in den Zukunftsbranchen Photovoltaik, Elektromobilität und im Bereich autonomes Fahren sowie bei Smartphones. Je Mehr Länder auf den Mobilfunkstandard 5G setzen, desto höher der Bedarf an neuen Smartphones und desto höher der Bedarf an Silber. Im kommenden Jahr könnte in diesem Zusammenhang vor allem Indien mehr Silber benötigen. Daneben kommt Silber dank seiner antibakteriellen Eigenschaften aber auch im Gesundheitssektor sowie bei der Wasseraufbereitung verstärkt zum Einsatz. Der Anstieg der Weltbevölkerung sowie die Verknappung von Trinkwasserreserven dürften den Bedarf in diesem Marktsegment auf lange Sicht weiter nach oben treiben. Verglichen mit den beiden anderen Weissmetallen kann man die Silbernachfrage daher als vielschichtig und stark diversifiziert ansehen.

Bei Platin und Palladium ist dies eher nicht der Fall. Während nämlich Platin in erster Linie in der Schmuckbranche sowie beim Bau von Abgaskatalysatoren (vorwiegend bei Dieselfahrzeugen) zum Einsatz kommt, gelten bei Palladium vor allem die Automobilbranche bzw. die Hersteller von Katalysatoren für Benzinfahrzeuge als wichtigste Nachfragegruppe. Aus diesem Grund vollzogen in diesem Jahr Platin und Palladium die besonders starke Kursschwankungen, schliesslich litt die Automobilindustrie zum einen unter corona-bedingten Lieferkettenproblemen und zum anderen unter den Sanktionen gegen Russland, das weltweit als wichtiger Anbieter dieser beiden Edelmetalle fungiert. Ausserdem werden die geschäftlichen Perspektiven von Fahrzeugen mit konventionellem Antrieb aufgrund der Diskussionen um den fortschreitenden Klimawandel derzeit nicht gerade als rosig angesehen. Des Weiteren stellen die wachsenden Rezessionssorgen ein zusätzliches Risiko dar, schliesslich stellen viele Konsumenten in unsicheren Zeiten erfahrungsgemäss vor allem grosse Anschaffungen wie Neuwagenkäufe zurück.

Besonders wilde Ausschläge bei Palladium

Ein besonders robustes Nervenkostüm benötigten in diesem Jahr vor allem die Besitzer von Palladium. Dessen Tradingrange – also die Bandbreite zwischen Jahrestief und Jahreshoch – belief sich 2022 nämlich auf mehr als 105 Prozent. In der zweiten Dezemberhälfte rutschte dessen Preis sogar auf ein neues Zwölfmonatstief ab. Gemessen daran kann man Silber und Platin mit Schwankungsbreiten von 53 bzw. 50 Prozent fast schon als „Langweiler“ bezeichnen. Dasselbe Ergebnis liefert übrigens auch die finanzmathematische Kennzahl Volatilität (Kursschwankungsintensität). Auf Basis der vergangenen 250 Tage kommt zum Beispiel Silber auf eine historische Volatilität von 38 Prozent, während bei Platin (39 Prozent) und Palladium (63 Prozent) mitunter deutlich höhere Werte ausgewiesen werden. Zur Erinnerung: Gold, welches unter Anlegern häufig als „Stabilitätsanker“ oder „sicherer Hafen“ fungiert, wird dieser Rolle angesichts einer 250-Tage-Volatilität in Höhe von lediglich 19 Prozent somit durchaus gerecht.

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Terminmärkte die Edelmetallpreise in besonders hohem Masse beeinflussen. Und hier herrschte unter den spekulativen Terminmarktprofis insbesondere im Frühjahr sowie in den Sommermonaten massiver Verkaufsdruck. Bei Silber-Futures gab es zum Beispiel unter Grossspekulanten (Non-Commercials) erstmals seit über drei Jahren für mehrere Wochen eine Netto-Short-Position (mehrheitlich pessimistisch gestimmt) zu vermelden. Selbiges war auch bei Platin-Futures zu beobachten. Während bei Silber grosse Terminspekulanten bereits Mitte Juni aber wieder mehrheitlich optimistisch gestimmt (netto long) waren, stellte sich dieser Stimmungswechsel bei Platin-Futures erst in der zweiten Septemberhälfte ein. Richtig mies war die Stimmung grosser Terminspekulanten allerdings bei Palladium, wo über das ganze Jahr über die Pessimisten das Kommando hatten. Deren Netto-Short-Position bewegte sich nämlich zwischen 270 (08.03.22) und 4.050 Kontrakten (14.06.22).

Weissmetalle schwanken aber auch aus einem anderen Grund deutlich stärker als Gold. Während der Goldhandel als hochliquide gilt, trifft dies auf den Handel von Silber, Platin und Palladium eher nicht zu. Dies wird vor allem beim Vergleich der Marktvolumina an den Terminmärkten deutlich. Mit aktuell 437.000 offenen Kontrakten (Open Interest) repräsentieren zum Beispiel sämtliche Gold-Futures eine Marktkapitalisierung von fast 79 Milliarden Dollar. Auf Basis aktueller Marktdaten entspricht das Marktvolumen sämtlicher Silber-Futures mit fast 15 Milliarden Dollar weniger als einem Fünftel des Goldmarktes. Die Vergleichswerte von Platin- bzw. Palladium-Futures fallen mit weniger als einem 20stel bzw. 50stel sogar noch geringer aus. Somit dürfte jedem klar sein, dass die daraus resultierende Marktenge für die mitunter extrem heftigen Kursausschläge bei den Preisen für Silber, Platin und Palladium mitverantwortlich sind.

Aktuelle Einschätzungen zum Jahresverlauf

Mit Blick auf die diesjährige Entwicklung an den Silbermärkten gab es für Robert Hartmann, den Mitgründer von pro aurum, einige Überraschungen. Er sagt zum Beispiel: „Ich hätte nicht gedacht, dass man Silber für weniger als 18 Dollar erwerben kann, wie dies im September zu beobachten war.“ Zugleich merkt er jedoch an, dass dies nur die halbe Wahrheit gewesen sei, denn zu diesen Preisen konnte man lediglich Buchsilber kaufen. Für Silbermünzen und -Barren müsse man laut dem erfahrenen Edelmetallexperten bereits seit vielen Monaten deutlich höhere Preise bezahlen. Er merkt deshalb folgendes an und sagt: „Niemand hat uns Silber zum Spotkurs verkauft. Alle Kunden waren auf der Käuferseite und nahmen dabei Preisaufschläge von mitunter mehr als 20 Prozent in Kauf – falls die Ware überhaupt zu bekommen war.“

In den vergangenen Wochen zeigte sich Silber ausgesprochen stark und übertraf sein September-Jahrestief in der Spitze um rund 35 Prozent. Hartmann interpretiert dies folgendermassen und sagt: „Mittlerweile hat der Markt wohl erkannt bzw. beginnt zu erkennen, dass Silber an den Börsen aktuell deutlich zu günstig gehandelt wird.“ Aus charttechnischer Sicht hellten sich die Perspektiven nach der jüngsten Erholungsrally deutlich auf. Anfang Dezember analysierten übrigens die Experten von HSBC Deutschland in der Spezialpublikation „Daily Trading“ auf mehreren Seiten die charttechnische Lage bei Silber und kamen unter anderem zu dem Schluss, dass mit Blick auf das Gold/Silber-Ratio das „Gold des kleinen Mannes“ – gemessen an der Kurshistorie der vergangenen 35 Jahre – „günstig bewertet“ sei.

Unter rein charttechnischen Aspekten sollten Anleger laut HSBC beim Silberpreis drei wichtige Marken beachten. Diese verlaufen bei 21 Dollar, 26 Dollar und 30 Dollar. Die niedrigste verkörpert zum Beispiel die Nackenlinie (obere Trendbegrenzung) der seit 2014 zu beobachtenden Bodenbildungsphase. Ein „prozyklisches Investmentkaufsignal“ würde sich zudem beim Überwinden der Marke von 30 Dollar einstellen. Hier markierte das Edelmetall in den Jahren 2020 und 2021 ein neues Jahreshoch.

Bildquelle: https://istockphoto.com


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